27.07.2011

Nasca-Puquio

Nach einem erholsamen Pausentag mit leckerem Essen erkundigten wir uns in Nasca nach einem Flug über die berühmten Geoglyphen in der Wüste vor der Stadt. Unter 120 US-Dollar pro Person war jedoch nichts zu kriegen, was uns dann doch ein bisschen zu viel war. Milena flog bereits einmal bei einer ihrer früheren Südamerikareisen über die Linien und fand den Flug selber viel spektakulärer als das was am Boden zu sehen war. Also verzichteten wir darauf und machten uns an die Vorbereitungen für die Andenüberquerung(Westkordillere), die uns auf dem Weg nach Cusco bevorstand. Da dürfen wir nämlich von 580m auf 4300m hoch fahren. “Wo sind meine Langen Hosen?!” fragte Oli verzweifelt als er sein ganzes Gepäck auf den Kopf stellte und sie einfach nicht finden konnte. Nachdem Milena auch Ihre Taschen durchsucht hatte und sie nicht zum Vorschein kamen wurde klar, dass sie wahrscheinlich in Pisco liegengeblieben sind. Die nächste Mission hiess also lange Hosen für einen 1.93 Meter Mann zu finden, in einem Land in dem kaum ein Einwoner über 1.80m misst. Wir klapperten nun wirklich jeden Kleiderladen in Nasca ab, aber die Verkäufer musterten Oli jeweils nur von oben bis unten und schüttelten lächelnd den Kopf. Die langen Hosen wären ja nicht so wichtig, würden wir weiter der Küste entlang radeln, aber wir haben in den nächsten Tagen Pässe von über 4000m zu überwinden, auf denen es empfindlich kühl werden kann. Etwas frustriert kaufte Oli halt 2 Paar lange Wollsocken die bis zu den Knien reichen. Sieht zwar etwas doof aus, sollte aber seinen Zweck erfüllen.

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Frischfröhlich fuhren wir am Samstag Morgen los in Richtung der monströsen Berge. Etliche Menschen riefen uns zu: “Tut das nicht! Da oben ist es kalt!!!” Ein älteres Paar hielt gar an, stieg aus dem Auto und fragte: “Wisst ihr was euch da oben erwartet? Da gibt es sogar manchmal Schnee!” Jaja, zum ersten mal wussten wir, auf was wir uns einlassen. Nur etwas Wichtiges haben wir völlig unterschätzt und zwar den Wasserverbrauch…

Eigentlich waren wir überzeugt, dass wir die 45km bis zum nächsten Minidorf mit Kiosk in einem Tag schaffen würden, doch die letzte Nacht setzte uns dann doch etwas mehr zu als erwartet. Eine nette Gruppe Party-Touristen sorgte nämlich dafür, dass wir die letzte Nacht in Nasca keine vier Stunden Schlaf bekamen. So suchten wir bereits nach 32km einen Platz zum zelten. Wir wussten, dass der Kiosk bei Km 45 kommt, doch unser super Reiseführer schrieb, dass dieser sich auf 2800m befindet (naja, immerhin verschätzten sie sich diesmal nur um 500 Höhenmeter. Das Dorf liegt nämlich auf 2300). Wir waren aber erst auf knapp 1900m und somit legten wir früher als geplant eine Übernachtung ein. Wir hatten jede Menge zu essen, aber der Wasservorrat reichte dummerweise nur für diesen einen Tag. Unser Wasserfilter konnten wir auch nicht gebrauchen, da alle Flüsse ausgetrocknet waren. Somit fiel der gute Nacht Tee schon mal aus und der Kaffee am nächsten Morgen gleich auch… Jedenfalls hatten wir einen wunderschönen Zeltplatz gefunden und genossen einen genialen Sonnenuntergang und Sternenhimmel.

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Am nächsten Morgen fuhren wir dann weiterhin die steile Serpendienstrasse hoch und so langsam machten wir uns etwas Sorgen wegen dem Wasser. Genau in diesem Moment fuhren zwei mit Japaner vollbesetzten Jeeps jubelnd und fotografierend an uns vorbei. Weiter oben hielten sie an, um ein paar schöne Landschaftsfotos zu schiessen. Wir kamen unten um die Kurve und sie knipsten uns mehrmals ab. Japaner sind lustige Leute und sie haben es meistens sehr eilig. Kein Wunder, wenn man lediglich zwei oder drei Wochen Ferien im Jahr hat. Von daher war es ein Wunder, dass wir sie um die nächste Kurve gerade noch erwischten. “Tiene Agua?” Fragende Blicke… “Do you have water?” Noch fragendere Blicke. Das internationale Handzeichen half dann und sie rannten wild umher und redeten unverständliches Zeugs. Oli bekam eine Flasche Wasser und Milena sogar eine Coca-Cola. Als Gegenleistung hielten wir dann für ein Fotoshooting hin. Erst mit der Tochter, dann mit dem Sohn und zum Schluss mit allen zusammen. Dann rannten sie ins Auto und liessen sogar erst noch den Kofferraum offen. Einer stieg aus, knallte ihn zu und sprang ins Auto zurück. Und Tschüss, schon waren wir wieder alleine… Wir setzten uns hin, tranken unser Wasser und Cola, schauten die wunderschöne Landschaft an und erst dann lachten wir uns fast kaputt!

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Das “Dorf” nennt sich stolz Huallhua und besteht aus rund 6 Häusern. Darunter ein kleiner Laden, der Wasser und Gaseosas (kohlensäurehaltiges Süssgetränk; wie kompliziert ist das denn?) verkauft. Wir stürmten den Laden regelrecht und kauften gleich alles an Wasser ein, welches im Regal stand. Rund 12 Liter, sowie 2,5 Liter Inka-Cola und zwei Gatorade Flaschen. Der hatte ja Freude an uns. Wir lernten dann noch einen Lastwagenfahrer kennen, welcher von Lima nach Cusco fährt und auch er braucht wegen der Pässe mehrere Tage bis nach Cusco. So ein vollbeladener Lkw quält sich manchmal nicht viel schneller als wir mit unseren Fahrrädern den Berg hoch. Auch wenn der Reiz gross ist, angehängt haben wir bis jetzt noch nie. Der Mann jedenfalls hatte eine Panne und wartete auf den Pannendienst. Einen TCS gibt es hier wohl auch!

Bei km 60 auf 3200müM zelteten wir noch einmal. Eigentlich war es fast unmöglich hier zu zelten und doch fanden wir ein ebenes Plätzchen. Es ging halt einfach etwas steil einen Hang hinunter, aber es war möglich. Nur konnte man uns von der Strasse aus sehen, doch ehrlich gesagt hatten wir überhaupt keine Bedenken. Grosse Steine hatte es allerdings und diese wollten wir erst wegräumen. Schon unter dem ersten Stein entdeckte Milena einen Skorpion. Da war natürlich erst einmal Panik angesagt und das unheimliche Tierchen wurde weit weg gebracht. Schlangen, Spinnen, alles ist egal, aber diese verflixten Skorpione…! Sind die nun giftig oder nicht? Jedenfalls blieb es bei dem einen Fund und wir stellten entspannt unser Zelt auf. Der Sternenhimmel war noch viel schöner als in der Nacht davor. Gleich unter der hellen Milchstrasse stand unser Zelt und wir mochten fast nicht schlafen gehen.

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Am nächsten Tag radelten wir durch eine hübsche, langsam grüner werdende Landschaft. Nicht selten dachten wir, wir seien in den schweizer Bergen. Die letzten zwei Tage hatten wir immer so Lust auf Orangen, da auf der Strasse so viele Orangenschalen lagen. Da hielt ein Pick-Up neben uns und ein Mann streckte uns zwei Orangen entgegen. Wow, geil! Die wurden gleich an Ort und Stelle verdrückt. Je weiter hoch wir fuhren, desto lebendiger und grüner wurde es. Riesige adlerartige Vögel flogen umher, wilde Degus (die sind hier wesentlich grösser als bei uns), die eher wie Häschen mit Riesenschwänzen aussehen hüpften auf den Steinen herum und plötzlich ertönte ein schrilles wiehern! “Wat’n dat?” Grosse beige Wollknäuel galoppierten in Herden vor uns davon und erst bei genauerem hinsehen erkannten wir hunderte von Vicuñas. Die sind ja gut getarnt in dieser gelb-braunen Pampa! Diese Lama-ähnlichen Tiere sind stark vom Aussterben bedroht und sind extrem selten zu sehen. Hier nicht, denn wir sind im Nationalreservat “Pampa Galeras” angekommen, welches eine Aufzucht- sowie eine Forschungsstation für Vicuñas und Guanacos (etwas grössere Art) betreibt. Hier sind sie geschützt und streifen zu Tausenden in freier Wildbahn umher. Vicuñas sind vor allem wegen ihrer Wolle beliebt, welche noch feiner als Baby-Alpaka sein soll. Ein Schal aus Vicuñawolle ist allerdings fast unbezahlbar und fällt für uns wohl als Souvenir weg…Alle 10m hielten wir an, um diese hübschen Tiere zu beobachten. Ihre Laute sind sehr eigenartig. Einige wiehern ähnlich wie Pferde und wenn sie andere warnen (zum Beispiel weil zwei Radfahrer kommen) schreien sie wie ein Meerschwein. Wir filmten und fotografierten wie blöd und kamen kaum noch vorwärts. Der Lastwagenfahrer von gestern hielt dann neben uns und meinte: “Los, ladet eure Räder hinten rein, ich bringe euch nach Puquio!” Wir lehnten Angesichts der vielen Tierchen und der wunderschönen Landschaft dankend ab. Niemals wären wir eingestiegen! Dieser Pass ist mit 100km zwar lang und auch hart, aber gleichzeitig auch wohl die schönste Strecke der letzten sieben Monate!

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DSCF5911 Diese ewigen Strassenblockaden…!

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“Huch”, Radfahrer…………………………………….schnell weg…!

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Als wir dann bei der Station auf über 4000m ankamen, klopften wir dort an und wurden gegen eine freiwillige Spende für den Park zum übernachten eingeladen. Für die zwei Nachtwächter waren wir wohl eine willkommene Abwechslung, denn hier oben läuft gar nichts. Wir kochten Tee und luden die Beiden ein. So erfuhren wir mehr über den tollen Nationalpark. Offenbar gehören dem nämlich rund 5800 Vicuñas und der Park erstreckt sich über 6500 Hektaren bis fast nach Puquio aus. Eine super Sache dieser Park! Dass dieser von den Touristen nicht rege besucht wird? Die Busse rasen hier einfach vorbei…

Die Nacht wurde ziemlich kalt. Um Mitternacht sollte das Thermometer auf unter -4° fallen. Kaum war die Sonne weg, wurde es schlagartig kalt. Wir kochten uns noch schnell Spaghetti und verkrochen uns dann in unsere Schlafsäcke. Die Ruhe hier oben ist wunderbar! Die Peruaner sind nämlich grundsätzlich etwas laute Menschen und die Autos hupen meistens die ganze Nacht lang ununterbrochen. Wir genossen diese Abgeschiedenheit sehr!

Früh am Morgen verabschiedeten wir uns von den netten Männern und gaben ihnen eine kleine Spende. Keine zwei Kilometer weiter, also rund 8km vor dem Pass trafen wir auf einen ziemlich harten Reiseradler, welcher gerade sein Nachtlager abbaute. Ernesto aus Südafrika radelt seit viereinhalb Jahren um die ganze Welt! In kurzen Hosen und T’Shirt stand er da, während wir sogar beim bergauf fahren dicke Jacken anhatten. Unglaublich was man hier auf den Strassen mitten im Nirgendwo so alles antrifft. Ihm steht die wohl genialste Abfahrt seiner Reise bevor, denn er fuhr in Richtung Nasca. Die 100km, welche wir hinauf krochen, wird er wohl in gut 3-4h hinuntersausen. Wie geil, dachten wir uns! So verabschiedeten wir uns von Ernesto und nahmen die letzten 8km zum 4330m hohen Abra Condorcenca in Angriff. Wieder hielten wir dauernd an wegen der Vicuñas und der sowas von spektakulär schönen Landschaft. Wir flippten fast aus! Dass wir uns langsam der Passhöhe näherten, merkten wir anhand der Lastwagen- und Busfahrer. Sturmhupen und Daumen hoch deutet immer auf “fast geschafft” hin. Ein Auto vollbesetzt mit jungen Männern bescherte uns sogar einen tosenden Applaus. Milena tat wohl die Höhe nicht so gut, denn zuerst redete sie mit dem Berg (?!?), dann fuhr sie über den Pass, ein Jubelschrei und sie verschwand hinter dem Berg… Das obligatorische Passfoto gibt es deshalb nicht, denn Milena war schon 200m weiter unten…! Aber wir stellten fest, dass der Pass gar keine 4330m hoch ist…

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Peru bescherte uns dann eine geniale Abfahrt. 30km durften wir runterflitzen bis auf 3100m. Die Landschaft sieht nun aus wie ein riesiges, kitschiges Gemälde…

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Milena bekam plötzlich Probleme mit ihrem Fahrrad. Beim bremsen holperte das Hinterrad unaufhörlich und als wir auf der anderen Seite des Flusses wieder hoch fuhren, bremste sie irgendetwas. Erst dachten wir, dass die Hinterradbremse verklemmt ist, doch dann fanden wir den Übeltäter: Doppelter Felgenbruch!!! Wir konnten es kaum glauben, aber ihre Hinterradfelge hat es regelrecht verfetzt. Zwei Risse, davon einer gut 6cm lang und zu allem Übel lappte die eine Hälfte über die andere. Darum bremste es immer, wenn der Riss bei den Bremsklötzen vorbei kam. So demontierten wir die Bremsklötze und Milena fuhr nur mit der Vorderradbremse und einem total ratternden Fahrrad 20km weit nach Puquio. Wir passierten das erste grössere Dorf seit drei Tagen und wurden auch gleich überrannt. Schulkinder rannten uns hinterher (war nicht so schwierig, denn wir krochen wieder mit 5km/h den Berg hoch) und bombardierten uns mit Fragen: “Redet ihr Englisch?” “Woher kommt ihr?” “Wo ist denn das?!?” “Europa???” Auf 3500müM ist es eine ziemliche Herausforderung einen Berg hoch zu pumpen und dabei noch so viele Fragen beantworten. Die Kleinen schnauften aber nicht weniger als wir…

Milena’s Fahrrad tönte immer übler und mittlerweile streifte der Riss auch am Schutzblech. Dass es nicht auch noch einen Platten gab, grenzte an ein Wunder. Der Pneu war an der Rissstelle aufgebläht und es ratterte ununterbrochen, als wir in Puquio einfuhren. Als wir den Reifen am nächsten Tag wegnahmen, traf uns fast der Schlag. Wie in aller Welt konnte das passieren?!?

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Wir fanden dann einen Fahrradmechaniker, der die Felge für CHF 10.- innert eineinhalb Stunden wechselte und das Rad neu einspeichte. Als wir das neue Rad abholen wollten, meinte der Mechaniker: “Tenemos un problema…”! Als wir das Ding sahen, kriegten wir fast einen Lachkrampf. Die alte Felge hatte 32 Löcher für die Speichen, die Neue aber dummerweise 36. Der Witzbold hat dann einfach vier Speichen weggelassen und einige sind ganz schön krumm. Naja, das ist halt eine richtige südamerikanische Lösung eines “Problems”, welches für die Peruaner wohl gar keines ist. Der Mann hat sich aber sehr Mühe gegeben und erstaunlicherweise hat es nicht mal eine Acht…! Dafür eiert es nun ein bisschen. Offenbar ist es hier in Peru nicht so einfach, eine 32-Loch Felge zu bekommen. Wir werden nun diese Notlösung ausprobieren und in Abancay oder Cusco weiter suchen. Ehrlich gesagt haben wir keine Ahnung, ob wir so lange fahren können oder nicht. Wir werden sehen…

20.07.2011

Pisco-Nasca

In Pisco legten wir noch einen Tag Zwangspause ein, da nun Oli auch das erste mal durchgeputzt wurde. Diesmal hat Montezumas Rache ihn erwischt. Er erbrach sogar den Tee, den eine Hotelangestellte ihm am Morgen gemacht hatte. Da die nächste Etappe fast 90km lang war, konnten wir an ein Weiterfahren gar nicht denken. Jetzt konnte für einmal Milena neben ihm auf dem Bett Chips essen und Inka Kola trinken. Sie fand es natürlich unheimlich lustig, dass ausnahmsweise mal nicht sie die Leidende war. Aber nicht mehr lange… Nun mal der Reihe nach:

Da Oli so ein Armer war durfte er im Windschatten fahren und wir kamen nach knapp 90km durch sandige Wüste in Ica an. Dort wollten wir eigentlich zur Oase Huacachina, doch Peru’s Strassenbeschilderung lässt ja leider etwas zu wünschen übrig. Milena fragte daraufhin zwei alte Männer, wo denn “die Oase” sei. Den Namen hat sie leider schon wieder vergessen. Die Männer starrten ungläubig: “Lauasa? Kennen wir nicht…” “Nein, nein, diese Oase halt mit dem See…” Da sagt der eine zum anderen:”Du, ich glaub die will ein Wasser kaufen.” Milena fing dann nochmals von vorne an: “Also, hier gibt es eine Oase, deren Name ich dummerweise vergessen habe.” “AHAAA… Huacachina… La Oasa!” Na endlich! Die netten Männer erklärten wild durcheinander wo wir denn nun durch fahren müssen. Milena musste sich konzentrieren, dass sie aus dem wirren Gerede überhaupt ein paar Wörter verstand. Aber wir fanden dann endlich den Weg und kamen am späteren Nachmittag in Huacachina an. Ein toller Ort! Einfach ein riesiger Spielplatz für Erwachsene. Wie früher im Sandkasten, aber einfach viel grösser.

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Nach einem leckeren, verspäteten Mittagessen suchten wir auch gleich ein Plätzchen zum schlafen und wurden schnell fündig. Im Garten eines Restaurants (bzw. einer Hospedaje) durften wir dann unser Zelt aufschlagen.

Der Hund der Restaurantbesitzerin war (wie so viele hier) mal wieder ein ganz hübscher Kerl… Aber er bewachte uns sehr gut…

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Die Oase ist von riesigen, rund 100m hohen Sanddünen umgeben, auf welche man hinaufstapfen und sich hinunterrollen lassen kann. Das ist ein unglaublicher Spass! Hier kann man auch Sandboards mieten und hinunterflitzen. Die eine grosse Düne vor unserem Hostal sah Nachts extrem unheimlich aus. Wie eine riesige Tsunamiwelle, die jeden Moment über einem bricht. Milena weiss das nämlich gut, hat sie doch mehr als die Hälfte der ersten Nacht draussen verbracht. Die Pilze in ihrem Mittagessen waren offenbar nicht so frisch, wie sie sein sollten. Mitten in der Nacht erwachte sie und ihr war unheimlich schlecht. Leider hatten wir diesmal kein Hotelzimmer mit Privatbad und die Gemeinschaftstoiletten waren rund 50m entfernt. Immerhin schaffte sie es gerade noch bis zu einem Bananenbaum um sich das Essen nochmal durch den Kopf gehen zu lassen. Zudem war es draussen ziemlich kalt (typisch Wüste) und es wehte ein unangenehmer Sandsturm. Kaum zurück im Zelt, durfte sie schon wieder losrennen. Da der Mensch ein Gewohnheitstier ist, wählte sie natürlich immer denselben Baum. Erst am nächsten Morgen sah sie die jungen hübschen Bananen an dem Baum hängen und bekam ein schlechtes Gewissen… Nach dem siebten Mal kam sie dann aber auf die Idee, unsere Faltschüssel, welche eigentlich zum Kleider und Geschirr waschen wäre und welche wir noch fast nie gebraucht haben, in die Apsis unseres Zeltes zu stellen. So musste sie jeweils nur noch den Kopf hinausstrecken. Am Morgen ging es ihr aber schlagartig wieder besser und nachdem wir das erste Mal den Sandberg hinunter rannten, verdrückten wir einen grossen Teller Spaghetti.

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Abends unternahmen wir noch etwas, was wir sonst nie tun würden: Eine Buggy-Tour! Als wir hier ankamen, lachten wir die Touris in diesen dämlichen Gefährten aus, doch die Besitzerin vom Restaurant machte uns ein gutes Angebot. So unternahmen wir halt auch so eine Tour und die war ziemlich lustig. Der Fahrer flitzte wie ein Blöder mit uns durch die Wüste. Eine Achterbahn der besonderen Art. Manchmal waren die Sanddünen ziemlich steil und sorgten beim runterfahren für ein kribbeln im Bauch. Plötzlich hielt unser Guide an und packte Sandboards aus. Dann durften wir auf dem Bauch liegend eine steile Sanddüne hinunter flitzen und dabei bekommt man ein ziemliches Tempo. Wir konnten dann noch den Sonnenuntergang von einer Düne aus beobachten und Oli durfte noch richtig Sandborden. Da das Brett natürlich auch etwas anders ist, gestaltete sich das auch für den leidenschaftlichen Snowboarder Oli etwas schwieriger. Sand verhält sich wohl doch etwas anders als Schnee. Er lag mehrmals eingesandet am Boden. Aber er schlug sich ganz gut…

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Nach zwei tollen Tagen in Huacachina fuhren wir weiter nach Palpa. Die Strecke war anfangs ziemlich langweilig, denn die Strasse ging stur gerade aus durch die Wüste. Da half sogar nicht mal mehr Musik hören. So knipste Oli halt einfach etwas herum. Einzige Abwechslung boten uns zwei andere Reiseradler, welche uns entgegen fuhren. Kim aus Korea und ein Engländer (Name schon vergessen). Wir quatschten etwas und sie fuhren dann weiter in Richtung Huacachina. Kim warnte uns noch, dass demnächst nur noch ein kleiner Kiosk und danach sehr lange nichts mehr kommt. Jaja, dann ist wohl noch ein kühles Inka-Kola fällig… Mittlerweile haben wir nämlich die hässliche Garua hinter uns gelassen und die Sonne lässt uns gehörig schwitzen.

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IMG_2842 Tschau, Tschau…

Tatsächlich liess das Mittagessen lange auf sich warten. Genaugenommen 88 km lang… In dem kleinen Restaurant wollte man uns auch gleich noch ein Hündchen (inkl. rosarotem Mäntelchen) schenken, doch wir lehnten dankend ab. Danach wurde die Stecke endlich wieder mal etwas interessanter. Die Strasse führte uns einen schönen Canyon entlang und wir durften auch mal wieder im ersten Gang den Berg hoch treten. Überhaupt sahen wir seit langem mal wieder Berge aus nächster Nähe. Nach einer rasanten Abfahrt kamen wir nach genau 101km in Palpa an.

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Momentan läuft der Copa America in Argentinen (Fussball) und an diesem Abend spielte Peru-Uruguay im Halbfinale gegeneinander. Zu Oli’s Glück hatte unser Zimmer Kabel-TV und er konnte das Spiel mit einem kalten Bierchen sehen. Leider aber hat Peru 2:0 verloren. Schade, hätte sicher eine super Party gegeben…

Die Fahrt nach Nasca war dann dank dem nervigen Gegenwind etwas anstrengender. Als wir den von Maria Reiche erstellten Aussichtsturm erreichten, konnten wir uns mal ein erstes Bild der Nasca-Geoglyphen machen. Auf englisch wurden wir von einem Mann gefragt, ob wir mit dem Fahrrad unterwegs sind. Ein Schweizer Paar, wie sich später herausstellte, ebenfalls mit Fahrrädern unterwegs und aus Zeitdruckgründen auf den Bus umgestiegen. Dort endet ihre dreimonatige Tour Von Santiago de Chile nach Lima. Somit trafen wir zum zweiten mal in 6 Monaten Schweizer Reiseradler!

14.07.2011

Lima-Pisco

Die Fahrt aus Lima war sehr einfach. Die Panamericana verläuft als eingezäunte, achtspurige Autobahn quer durch die Stadt und wir konnten auf der Strasse mit gut 35km/h aus Lima heraus flitzen. Nach nur 30km waren wir draussen und der stressige Verkehr liess etwas nach. Bis nach Pisco folgt die Strasse sehr nahe dem Pazifischen Ozean und wir hatten immer wieder tolle Aussichten von den Klippen hinunter aufs Meer. Somit kamen wir auch trotz der sensationellen Strasse nicht so schnell voran wie erwartet. Die erste Nacht verbrachten wir im 90km entfernten Mala, die Zweite in San Vicente de Cañete und die Dritte in Chincha Alta.

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In Cerro Azul (rund 20km vor Cañete) gingen wir bei einer sehr netten Frau etwas essen. Sie hatte eine riesen Freude an uns und offenbar war auch die Familie, welche letztes Jahr mit dem Tandem unterwegs war bei ihr. Sie empfiehl uns, ein Stück der hübschen Uferpromenade zu folgen und da sahen wir zwei Surfer und jede menge Vögel. Da verging die Zeit schon wieder wie im Fluge…

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Am nächsten Morgen frühstückten wir im einzigen Restaurant der Stadt, welches so früh am Morgen (8.00) geöffnet hatte. Die nette Frau mästete uns dann regelrecht. Einen halben Liter Ananassaft, 4dl Milch-Kaffee und Milena bekam zu ihrem Toastbrot noch eine Extraportion. Immer wenn die Leute unsere Fahrräder sehen, bekommen wir extra viel…! Vollgefuttert fuhren wir dann los in Richtung Pisco.

Wieder fuhren wir hoch über dem Meer und fanden tolle Klippen mit fantastischem Meerblick. Milena musste schon lange pinkeln gehen und nutzte die Chance gnadenlos aus. Das war wohl der allerschönste Pinkelplatz auf der ganzen Welt:

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Wäre hier Sommer und nicht so kalt, hätten wir wohl wegen hunderten Badestopps an diesen Traumstränden Wochen bis nach Pisco gebraucht. Eigentlich wollten wir die 95km von Cañete nach Pisco durchfahren, aber wir kamen dann doch nur bis nach Chincha Alta. Bei diesen Ausblicken muss man einfach etwas rumtrödeln…

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Unterwegs stoppten wir in einem Restaurant, wo wir sehr lecker und günstig essen konnten. Leider waren wir aber nicht die Einzigen mit Hunger. Tausende von Fliegen (dank den unzähligen Hühnerfarmen in dieser Gegend) trieben uns fast zum Wahnsinn.

Die Wüste ist nun richtig eintönig und nur der Blick aufs Meer bietet hin und wieder Abwechslung. Zudem hat uns die depressive “Garua”, Peru’s bekannte Küstennebelsuppe fest im Griff. Da hilft nur noch Ohrstöpsel rein und laut Musik hören. Das hat nämlich auch noch den netten Nebeneffekt, das wir so das Gehupe der Lastwagen nicht mehr hören können. Auf Nebenstrecken war das ja kein Problem aber auf der Panamericana, wo die Laster uns manchmal im 10-Sekundentakt überholen kann das durchaus sehr nerven. Zudem kommen wir mit Musik fast doppelt so schnell voran… Die Panamericana wurde dann vierspurig und kurz vor Chincha zweispurig mit einem leider sehr schlechten Seitenstreifen. Hoffentlich bleibt der nicht bis Nasca so…

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IMG_3260 INCA-KOLAAA…

In Pisco angekommen, fühlten wir uns gleich auf Anhieb sehr wohl. Hier leisteten wir uns auch mal ein nettes Hostal mit Pool. Er ist zwar etwas zu kalt zum baden, aber alleine schon der Anblick des blauen Pool’s finden wir nach Peru’s Küstenwüste ziemlich erfrischend. Als Milena nach dem Preis fragte, schaute die Receptionistin unsere Räder an und meinte: “Für euch ganz sicher 10 Soles weniger als für andere.” Oh wow, da sagen wir aber nicht nein…! Hier in Pisco fanden wir mal wieder die superleckeren Picarones, welche wir in Huanchaco schon probierten. Immer hielten wir Ausschau nach den frittierten Süsskartoffelringe, doch sie sind so selten. Vielleicht sind sie genau darum so lecker! Von denen müssen wir unbedingt noch das Rezept herausfinden…! Ansonsten unternahmen wir in Pisco nicht sehr viel. Wir hingen etwas rum, starrten den Pool an und kochten leckerer.

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09.07.2011

Trujillo-Lima

“Möchten sie das Mittagessen mit Poulet, Fleisch oder Vegetarisch?” Ist ja (ausser vielleicht die Frage nach dem Vegetarischen) nichts aussergewöhnliches, doch wir schauten die Dame der wohl besten Busgesellschaft Peru’s verdutzt an. In dem Bus gibt es zu Essen?

Wir kauften uns am Tag zuvor das Busticket von Trujillo nach Lima. Diese Strecke führt 600km durch Wüstengebiet, über die übelriechende Fischverarbeitungsstadt Chimbote und hinein in die Höllenstadt Lima. Die Strecke wäre mit Ausnahme von Lima einfach gewesen (wenn auch scheinbar nicht so sicher wegen Überfällen), doch wir wollen lieber wieder eine andere schönere Strecke Radeln als das wir wieder am Schluss das Beste verpassen. Schon in Kolumbien verpassten wir die schönsten Strecken am Schluss und mussten aus Zeitdruckgründen den Bus nehmen. Hier in Peru wollten wir diese Wüstenstrecke überbrücken, damit wir uns für die tollen Routen im Süden und Osten des Landes mehr Zeit nehmen können.

Andres und Eric fuhren weiter und wir verabschiedeten die Beiden. Sie fahren nun zusammen Richtung Huaraz. Abuela wartete extra noch einen Tag, denn sie will alleine fahren.

IMG_2515 Tschüss, bis zum nächsten Mal…

Als wir das Ticket gekauft haben und wieder zurück zum casa de ciclistas kamen, begrüssten wir auch schon den nächsten Neuankömmling. Oscar aus Kolumbien. Er radelt schon seit 5 Jahren in der Welt herum und lebt in Cali (Kolumbien). Ein sehr netter und lustiger Kerl. Mir Oscar lernten wir nun den dritten Reiseradler aus Kolumbien kennen. Sein Fahrrad ist der Wahnsinn. Sogar Lucho staunte, als er sein ziemlich einfaches Gefährt sah. Sein Rahmen ist wie Duplo-Spielzeug einfach ineinander gesteckt und er hat unglaublich viel Gepäck dabei inkl. einem Anhänger.

IMG_3190 Mit Abuela und Oscar

Lucho meinte zu uns, dass wir ein Geschenk vom Himmel sind. Er hat sich nämlich gerade erst eine neue Videokamera gekauft und hat überhaupt keine Ahnung von dem Ding. So erklärte Milena ihm erst die wichtigsten Funktionen und Oli ihm danach das überspielen auf den Computer bei ihm Zuhause. Bis Abends um 24.00… Dafür machte Lucho dann bei unseren Velos einen gratis Service. Wie praktisch…

Am nächsten Morgen wollten wir los. Oscar fragte wo wir in Lima schlafen werden. Das wussten wir noch nicht und schon hatte er sein Telefon in der Hand. “Hallo, kennst du mich noch? Heute Abend kommen zwei Schweizer Freunde nach Lima, kannst du sie am Busbahnhof abholen?” Dann legte er auf und meinte, wir werden nun von seinem Freund, der ebenfalls Oscar heisst am Busbahnhof abgeholt. Da die Beiden Oscar heissen, nennen sie sich gegenseitig (weil es so doof sei) Chépe und Chéco. Chépe ist Ché-Peru und Chéco ist Ché-Colombia. Logisch, das können wir uns merken…

Die Busfahrt war eine sehr gediegene Sache. Wir hängten 9h rum und nachdem wir das Frühstück gegessen hatte, packten wir unsere eigenen Brötchen aus und mampften diese mit Butter und Honig. Die Bordunterhaltung sorgte noch für Spannung beim Bingo spielen und das Mittagessen war super. Trotzdem sind wir froh, dass wir ab Lima wieder selber fahren können. Man kann nämlich bei einer Busfahrt noch so gespannt aus dem Fenster schauen, man erinnert sich später nicht mehr daran. Milena fuhr jede Strecke in Ecuador vor sieben Jahren mit dem Bus und konnte sich an keine Einzige mehr erinnern. Das gilt auch für die Fahrt in Südkolumbien und das war vor nicht mal drei Monaten. An unsere Radetappen können wir uns allerdings an jede Einzelne erinnern, auch wenn sie noch so unspektakulär war. Wenn man sich Berg um Berg hochkämpft, um jede Kurve gespannt auf die Nächste blickt, Leute trifft und sich mit ihnen unterhält, dann bleibt das einfach besser in Erinnerung als mit dem Bus daran vorbei zu fahren.

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Als wir in Lima ankamen, packten wir im Bus schon unsere Sachen zusammen. Aber wir fuhren noch mehr als eine Stunde durch die Riesenstadt, bis wir im Zentrum ankamen. Als wir unsere Räder bepackten, war es natürlich schon dunkel. Da kam ein Mann auf uns zu: “Seit ihr Oli und Milena? Mein Freund hat mich angerufen ich soll euch abholen.” Oscar ist tatsächlich gekommen und er begleitete uns satte 7km quer durch die mittlerweile finstere Hauptstadt Peru’s. Er führte uns direkt in den Touriviertel Miraflores und klapperte mit uns die Hotels ab. Er erklärte uns, wo wir nicht hingehen sollten und empfiehl uns einige günstige Restaurants. Dazu muss vielleicht noch erwähnt werden, dass die beiden Oscar’s sich seit mehr als vier Jahren nicht mehr gesehen haben. Würde uns ein alter Freund in der Schweiz anrufen und uns darum beten, zwei doofe Touris am Flughafen oder Bahnhof abzuholen, mit denen drei Stunden durch Zürich zu spazieren (obwohl man einen Sohn und eine schwangere Frau zuhause hat), mit ihnen ein Hotel zu suchen und ihnen die Restaurants vorschlagen. Wie viele von uns würden das tun? Für Oscar war das kein Problem. Er meinte nur, dass er einen netten Abendspaziergang hatte und er zeigte uns auch gleich noch die hübsche Uferpromenade. Dort wollte er noch nicht einmal zum Essen eingeladen werden, nahm dann aber doch auch eine Kleinigkeit. Ganz ehrlich: Die Peruaner übertreffen alle an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft!

Hier im turistischen und sauberen Stadtteil Miraflores gibt es sogar Zeitungsverkäufer die den Tagesanzeiger führen. Wir kauften im einen ab und zahlten sogar nicht mal die Hälfte davon, was er in der Schweiz kosten würde. Gleich neben unserem Hostal gibt es einen grossen Park, wo viele Katzen ausgesetzt wurden. Einige Passanten geben den Tieren zu fressen und wenn eine Katze am Wegrand sitzt, wird sie von jedem kurz gestreichelt. Echt süss.

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