Der grosse böse Berg kam uns am nächsten Morgen nicht mehr so gross vor wie am Tag davor. In Alausi konnten wir uns auch prima erholen, so dass wir im nu da oben ankamen und Alausi ein letztes mal ganz klein sehen konnten. Auf der anderen Seite des Berges hatten wir eine wunderschöne Aussicht auf die berühmte Teufelsnase bis fast nach Cuenca. Danach ging es genauso krass wieder hinunter und dann (wie kann es auch anders sein) wieder bergauf nach Chunchi. An diesem Tag ging alles schön locker voran. Das war aber auch das letzte mal für die folgenden vier Tage, denn nun folgten nicht mehr hunderte-, sondern tausende Höhenmeter...
Es kann wirklich nur einen einzigen Berg haben in der Gegend, die Ecuadorianer bauten die Panamericana immer da drüber anstatt neben durch. Die Strecke Chunchi-Tambo wurde somit zu unserer wohl deftigsten Etappe der ganzen Reise:
Frischfröhlich bepackten wir unsere Räder und neben uns sass ein junges Pärchen, welches ungläubig unsere Velos anschaute. “Boah! Ihr fahrt mit diesen Fahrrädern nach Cañar?” Die Reaktionen auf die Frage, wohin wir fahren löst eigentlich immer Empörung bei den Einheimischen aus. Selbst die beiden Bergsteiger, welche mit uns im Refugio des Cotopaxi Cuarenta spielten, würden nie Rad fahren wollen. Das sei viel zu anstrengend. Und die Beiden rennen fast täglich auf den fast 6000m hohen Vulkan…!
Jedenfalls lächelten wir auch die Beiden an. Dass es aber nur bergauf geht, glaubten wir ihnen sehr gerne. Es geht ja immer bergauf…! Wir glaubten da noch fest daran, dass wir die nur 9km von Tambo nach Cañar am Schluss eh noch schaffen werden.
Wir verabschiedeten uns von den Beiden und fuhren los. Chunchi liegt auf 2500müM und erst ging es halsbrecherisch und natürlich nur sehr kurz runter in einen Cañon. Netterweise ging es danach wieder lange bergauf, nur um dann wieder runter zu flitzen. Dann kam die erste Steigung auf über 3000müM. Auf dem Pass war es ungemütlich kalt und der Wind blies eisig. Wieder sehr kurz aber extrem steil (damit wir ja auch schön viele Höhenmeter verlieren und möglichst keine km dabei machen) ging es wieder runter und am späten Nachmittag folgte der zweite Pass über 3000müM. Da gab es auch noch eine gehörige Portion Gegenwind und der zwang uns zum lauten fluchen. Oli stiess sein Rad das letzte Stück und Milena wartete jeweils eine Windböe ab und trampelte dann schnell 50m bevor die nächste Windböe sie aprupt stoppte. Die Temperatur war knapp über dem Gefrierpunkt, so dass wir beim bergauf fahren schwitzten und auf den Pässen froren. Nicht gerade eine gute Kombination…
Wieder unten auf 2600müM wurde es langsam dunkel und wir mussten nochmals über einen 3100m hohen Pass. Dieser zog sich auch schön lange, so dass wir nach 9Std. auf dem Rad, mit dem letzten Tageslicht in Tambo ankamen.
Entschädigung für 9Std. Radfahren
Über 60km fuhren wir, davon rund 45km nur bergauf. In Tambo machten wir dann eine Zwangspause, denn Milena hatte wieder fieber (wen wundert’s) und zudem waren wir beide ein bisschen erschöpft. Den Sonntag verbrachten wir dann im Bett vor dem Fernseher. Den ganzen Tag…!
Die Menschen hier sind extrem nett und grüssen uns immer schon von weitem. Weniger nett sind allerdings ihre Hunde. Im 30-Sekunden-Takt jagen sie uns zähnefletschend hinterher und verbellen unsere Packtaschen. Diese Viecher sind wirklich nicht normal. Es sind nicht die “grossen Bösen” wie etwa die Rottweiler oder Deutschen Schäfer, sondern die mittelgrossen Mischlinge. Sie haben Stehohren, schlanke Körper, sind meistens beige oder schwarz und verdammt schnell! Milena’s Wasserpistole zeigt allerdings eine sehr erfreuliche Wirkung. Trifft sie einen Hund (kommt nicht oft vor), dann erstarrt er vor Schreck. Vermutlich wegen dem starken Geschmack des Tabasco’s. Trifft sie daneben, bleiben die Hunde sofort stehen und schnuppern am Boden. Bei Wasser alleine würden sie das wohl nicht machen. Der Tabasco zeigt seine beste Wirkung. Aber immer noch besser sie jagen uns, anstatt auf der Strasse zu kleben…
Das war wirklich mal ein Hund…
Am nächsten Morgen waren wir schon wieder unten auf 2800müM und da kam auch schon die nächste Steigung. Diese hörte netterweise einfach nicht mehr auf. Wir wunderten uns schon etwas, denn unser nächstes Ziel, Azogues, liegt nur auf 2500müM. 20km vor Azogues kämpften wir uns die letzten Meter auf über 3550müM hoch. Milena kämpfte mal wieder etwas mehr. Gemein, dass Frauen im Sport so benachteiligt sind… Ein nettes französisches Paar im Wohnmobil hielt neben ihr an und schaute ganz besorgt aus dem Fenster. “Bist du o.k.? Brauchst du etwas?” Am liebsten hätte sie das hübsche Wohnmobil entführt, doch dazu fehlte wohl die nötige Kraft. Nur ein kleines “nein danke, alles klar” kam raus. Dieser Pass war nun richtig ungemütlich. Total eingefroren stolperten wir in ein Restaurant und schlangen unter den staunenden Blicken von ein paar Bauarbeitern eine warme Suppe hinunter. Unsere Regenjacken und “wasserdichten” Handschuhe sind nach einem Tag Regen völlig aufgeweicht. Super Sache… Somit wurde unsere “Belohnung” von fast 20km Abfahrt eine ziemliche Tortur. Unsere Hände waren gefroren und wir konnten kaum noch schalten und bremsen. So rasten wir bei Platzregen (der fitzte auch so angenehm in den Augen) möglichst schnell runter nach Azogues auf 2500müM. Dort wurde es auch wieder schön warm.
Es nennt sich “Panamericana”…!
Ehrlich, wir haben sie nicht gegessen…!
Innerhalb von nur einer Woche strampelten wir fast 9000 Höhenmeter ab! Die Strassenbeschreibung “puro plano” (alles eben) hat nun auch für uns eine ganz andere Bedeutung. Geht es an einem Tag nicht mehr als 500 Höhenmeter bergauf, nennen inzwischen auch wir die Strecke “plano”. Und die 36km nach Cuenca waren auch sehr plano. Milena hat aber seit drei Tagen eine gröbere Magen-Darm-Verstimmung und folglich auch fast nichts gegessen. Eine Essens-Pause mit Tee trinken ist ja gut gegen Durchfall, aber in Kombination mit Sport denkbar schlecht. Das machte sich bemerkbar mit Schwächeanfällen und Benommenheit, sowie unheimlichen Durstattacken. In Cuenca angekommen, war Milena komplett ausgezehrt und nur dank eines Apfels schafften wir es gerade noch zum Hotel…
Total abgekämpft lagen wir im Zimmer, da klopfte es an der Tür. “Hier ist ein Mann, der Euch sucht”! Wir wussten sofort, dass kann nur Uwe sein! Prompt stand unser motorisierter Freund vor der Türe und er hatte beim gemeinsamen Cuba Libre auch so einige Abenteuer zu erzählen…
Ahh, ahora entiendo! Das erklärt natürlich, warum fast jeder Südamerikaner (u. manchmal auch das Buch) von solo bajada spricht. Danke für die Erklärung. Doro + Natzky
AntwortenLöschenHallo ihr zwei,
AntwortenLöschenich verfolge mit Begeisterung eure Beiträge.
Ihr habt ja eine ganz anstrengende Tour schon hinter euch, aber dafür viele schöne Erinnerungen wenn man die Bilder ansieht.
Ich wünsche euch noch viel Glück bei der weiteren Tour und gute Besserung für Milena.
Lg. Brigitt
krasse tour.. oder tortour :)
AntwortenLöschenliebe grüsse brändle