02.08.2011

Puquio-Cusco

 

Frühmorgens ging es weiter in Richtung Cusco. Wieder fuhren wir von 3200m auf 4600m und blieben auch ziemlich lange und hügelig auf dieser Höhe. Am Nachmittag erreichten wir auf 4300m ein einsames Restaurant und assen seit langem wieder einmal eine richtig grosse Portion. Das Restaurant war sehr gemütlich und die Leute unheimlich nett. So fragten wir, ob wir hinter dem Haus unser Zelt aufschlagen dürfen. “Auf gar keinen Fall! Da Draussen fällt das Thermometer weit unter den Gefrierpunkt! Ihr zeltet hier drinnen im Restaurant!” So stellten wir unter beobachtenden Blicken inmitten der essenden Gäste unser Zelt auf und wir hatten wunderbar warm…

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Im Verlaufe des Abends füllte sich das Restaurant und wir wurden wieder einmal kräftig ausgefragt. Eine Gruppe Peruaner kam herein und verfiel in totale Euphorie: “Euch haben wir gestern auf der Strasse gesehen! Wir haben euch fotografiert!” Ein paar Unterhaltungen und Fotos später, durften wir endlich todmüde in unsere Schlafsäcke kriechen.

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Am nächsten Morgen erreichten wir die Hochebene und fuhren entlang tiefblau glitzernden Lagunen mit gelb leuchtenden Grasbüscheln und schneebedeckten Bergen am Horizont. Die Landschaft kam uns total surreal vor. So kitschig, wie wenn jemand einfach ein riesiges Gemälde aufgehängt hätte. Einfach Wahnsinn!

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Die dünne Luft spürten wir beim Radeln kaum. Jedoch bekamen wir plötzlich Konzentrationsstörungen und fuhren des Öfteren fast in den Strassengraben. Oli rechnete dann die Distanz zum nächsten Ort aus und prompt verrechnete er sich um das Doppelte. Dank einer rasanten Abfahrt über 1000 Höhenmeter erreichten wir aber das Dorf Pampamarca noch kurz vor Sonnenuntergang. 100m vor dem Dorf knallte es an Milena’s Hinterrad und die Luft war innert einer Sekunde aus ihrem Pneu. Ihr Fahrrad kam so dermassen ins Schwaddern, dass sie beinahe einen üblen Sturz hingelegt hätte. Der Übeltäter war ein gut 6cm langer Nagel, welcher sich durch Reifen und Schlauch in die Felge bohrte. Wir bekamen ihn nur mit viel würgen wieder raus.

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Zu unserem Glück war auch noch die einzige Hospedaje im Dorf geschlossen und die Leute verstanden uns nicht. Die Meisten von ihnen konnten nur Quechua und wir kamen mit Spanisch kaum durch. So fragten wir einen Lastwagenfahrer, ob er uns ins nächste Dorf mitnehmen würde. Hätte er gerne gemacht, aber auch er hatte eine Panne und wartete auf eine neue Batterie die irgendwann in der folgenden Nacht eintreffen sollte. Nachts fahren wollten wir auf keinen Fall. Wir durften dann bei einer Frau, die zum Glück Spanisch konnte und ein Restaurant besitzt übernachten. Hinter dem Restaurant hatte sie zwischen tausenden von Kartoffeln zwei Betten mit je fünf Wolldecken für uns. Dass es in dem Zimmer nach verwestem Tier roch, ignorierten wir gekonnt. Wir hatten dank der Kälte sowieso verstopfte Nasen…

Die Menschen hier in den Anden leben extrem einfach. Sie haben ein Steh-Plumpsklo und das Wasser ist so kalt, dass man wohl freiwillig niemals duschen würde. Meistens ist das Wasser sowieso gefroren und dann hat es einfach gar keines. Die Leute waren erst sehr scheu und sprachen kaum etwas. Dann aber brach das Eis schlagartig und Milena wurde auf Quechua ausgefragt. Wir hätten unbedingt ein paar Wörter lernen sollen, aber wir wussten nicht, dass sie hier schon fast ausschliesslich diese Sprache sprechen. Mit Händen und Füssen ging es aber auch etwas. Die Familie hatte einen süssen Hund, welcher wohl auch noch etwas jung war. Als wir den Schlauch aufpumpten biss er in die Pumpe, in den Gepäckträger und schliesslich auch in Milena’s Jacke. Dann wurde er richtig übermütig und rannte wie wild umher. Dann warf er Milena etwas vor die Füsse und erwartete, dass sie nun mit ihm spielt. Beim genaueren hinsehen stellte sie dann fest, dass vor ihren Füssen ein abgetrenntes Lama Bein lag. Das war’s dann mit Spannung, Spiel und Spass.

Die Leute waren sehr freundlich und auffallend ruhiger als die teilweise etwas rüppelhaften Küstenbewohner Peru’s. Das Leben, welches die Menschen hier oben führen ist bitterhart. Tagsüber ist es kalt, weil es windet und sobald die Sonne hinter den Bergen verschwindet gefriert alles. Das kommt einem wirklich vor, wie wenn gleich eine Eiszeit kommen würde. Winter ohne Heizung und ohne Feuer. Zudem zieht es durch alle Ritzen der Holz- oder Lehmbauten. Das ist nochmals was ganz anderes als ein eiskalter Schweizer Winter…!

Am nächsten Morgen mussten wir wegen einer Lamaherde, welche vor dem Tor gerade fleissig mit schweren Säcken beladen wurde noch etwas warten. Die Lama’s waren wunderschön. Schneeweiss mit pinken Bändeln (so wissen sie, welche Lama’s wem gehören) an beiden Ohren und sie waren riesig. Auch die Esel hier sind total flauschig und süss! Ganz langsam schoben wir unsere Räder zwischen den Tieren hindurch. Wir erregen mit unseren eigenartigen Gefährten nämlich nicht nur die Aufmerksamkeit von Menschen, sondern auch die von Tieren. Gerade Lama’s erschrecken sich nicht selten ab uns und starren uns ganz schockiert an.

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Der nächste Pass über 4200m (laut unserem Bike-Buch) wartete auf uns. Auch dieser mutierte sich komischerweise auf 4556m. Wachsen die peruanischen Berge eigentlich?

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Wie auch immer, diese 800 Höhenmeter strampelten wir dennoch schnell ab und dann pedalten wir wieder auf rund 4300m dahin. Wir fuhren ganz konzentriert und eigentlich sollte es jeden Moment rasant bergab gehen. Unser nächstes Etappenziel sollte nämlich nur noch auf 2900m liegen. Aber jede Abfahrt war nur sehr kurz und wir kletterten immer wieder hoch auf über 4300m. Bei einer Steigung überholte uns ein hübsches Wohnmobil und zwei Leute winkten uns zu. Als sie vorbei waren erkannten wir erst das Berner Nummernschild und wir fuchtelten wie wild. “Oli, das sind Schweizer! Halte sie auf!” Leider aber fuhren sie weiter und wir dachten erst, sie hätten das winken nicht gesehen. Keine 10min später überholte uns dann ein Motorradfahrer. Und wer war es??? UWE…!!! Der hat uns tatsächlich eingeholt! Wir hielten an und redeten eine Weile. Wir wollten dann zusammen Mittagessen kochen, aber hier oben auf der windigen Hochebene war das etwas ungemütlich. So fuhren wir noch ein Stück weiter in der Hoffnung, dass es bald abwärts geht. Weiter oben warteten dann tatsächlich die Beiden mit dem Wohnmobil. Ursula und Peter Steinmann, beide 60 Jahre alt, fahren zwei Jahre lang mit ihrem tollen Gefährt von Halifax nach Patagonien. Auch sie waren für ein Mittagessen und so fuhren wir alle los. Milena und Oli mit Fahrrädern voraus, dann das Wohnmobil und das Motorrad. Muss ziemlich amüsant ausgesehen haben… Auf einer Wiese parkierten wir dann und Ursula und Peter packten Stühle und Tisch aus. So trafen wir uns alle, auf 4200m Höhe inmitten des Nirgendwo und assen gemeinsam Nudelsuppe. Wir verstanden uns alle auf anhieb und hatten es ziemlich lustig zusammen. Dann packten wir zusammen und jeder stieg in sein Fahrzeug. Uwe wollte aber anstatt bis nach Abancay fahren, in Chalhuanca auf uns warten.

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Voller Erwartung fuhren wir weiter bergauf und dann endlich standen wir vor einer Schlucht, wie wir sie noch nie gesehen haben. Die Strasse schlängelte sich unglaublich steil in diese Schlucht hinunter und die Felswände ragten seitlich fast senkrecht hoch. Wir stürzten gut 30km weit regelrecht in diese Schlucht und überholten alle Lastwagen. Unten war es aber noch lange nicht fertig, denn wir folgten der Schlucht noch weiter Fluss abwärts. Innert kürzester Zeit waren die 60km vernichtet und wir fuhren in Chalhuanca ein. Beim Plaza stand auch schon Ursula. Auch sie wollten hier noch übernachten und durften das Wohnmobil gleich beim Plaza abstellen. Wir nahmen zusammen mit Uwe ein Zimmer im Hostal gegenüber. Nach einem lustigen Abend konnten wir das Angebot von Ursula und Peter, uns bis nach Cusco mitzunehmen, auch nicht mehr ablehnen. Den besten Teil der Strecke hatten wir zu diesem Zeitpunkt schon hinter uns und wir können es auch nicht mehr ignorieren, dass wir langsam wirklich einen Zeitdruck bekommen.

In Puquio haben wir uns auch entschlossen, unsere Fahrräder in Buenos Aires zu lassen und Patagonien per Bus zu bereisen. Uns wurde bewusst,  dass es unmöglich ist das riesige Patagonien mit den Fahrrädern zu erkunden. Alleine in Patagonien könnte man sich mindestens ein Jahr lang per Fahrrad austoben. Und einfach da runter flitzen, um das letzte Stück des Kontinentes auch per Fahrrad gemacht zu haben ist nun wirklich nicht unser Ding. Wie unsere treuen Blogleser sicher schon gemerkt haben, gehören wir nicht zu den Radpuristen hier. Solche haben wir zur Genüge kennengelernt. Das Fahrrad ist ein prima Reisemittel. Zweifellos das Beste überhaupt. Aber dass wir jeden Meter unbedingt per Pedales abtreten müssen, dazu sind wir einfach nicht hierhin gekommen. Wir stellen hier keine Weltrekorde auf, sondern lernen auf eine wunderbare Art einen Kontinenten kennen. Wir müssen nun einige Abstriche machen und Patagonien weglassen kommt überhaupt nicht in Frage. Aber bis dahin dauert es ja auch noch ein Weilchen…

So luden wir unsere Räder am nächsten Morgen ins Wohnmobil und fuhren los. Bei einer kleinen Open-Air Kneipe hielten wir an und assen etwas, da kletterten zwei Radfahrer den Berg hoch. Schon von weitem grinsten die Beiden breit, weil sie das Nummernschild des Wohnmobils sahen. Endlich mal wieder Schweizer Radler! Wir quatschten lange und zum guten Glück war er auch noch Velomechaniker. Sie haben genau das gleich Rad wie Milena und auch er hatte einen Felgenbruch. Offenbar eine Schwachstelle, denn die Firma hat sich bei ihm entschuldigt für die miesen Felgen. Er meinte, dass Milena mit ihren vier fehlenden Speichen und Gepäck wohl nicht mehr weit kommen würde. Na, hoffentlich finden wir 32-Loch Felgen in Cusco! Nach einem obligatorischen Gruppenfoto des Schweizer-Treffen liessen wir dann die Beiden weiter fahren. Gerne hätten sie auch eine Mitfahrgelegenheit wie wir gehabt, denn sie kämpften sich gerade einen ziemlich heftigen Pass hoch. Aber den Bus nehmen sie erst von Abancay aus nach Nordperu. Auch sie haben sich etwas in der Zeit verschätzt…

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Ursula und Peter sind keine Hetzer und halten ihre Etappen auch etwas kürzer. Die Zwei sind unheimlich liebe, gemütliche und unkomplizierte Camper. Wir hielten noch bei Thermalbädern ca. 40km nach Abancay. Dort zelteten wir, kochten Spaghetti und badeten mit rund 20 neugierigen Kindern in den heissen Thermalbädern. Da wurde uns sogar noch etwas Quechua beigebracht.

IMG_3780   Im Wohnmobil

Am nächsten Morgen nach dem Kaffee fuhren wir dann los nach Cusco. Also per Fahrrad in eine solche Chaos-Stadt mit engen Gassen zu fahren ist das eine, aber das Ganze mit einem Wohnmobil ist nochmals was ganz anderes. Peter aber blieb total cool. Er machte das ja auch schon zum hundertsten Mal… Oberhalb von Cusco gibt es einen Abstellplatz für Camper und da fuhren wir auch gleich hin. Uwe wartete schon. Da lernten wir noch einige Schweizer kennen. Ob das Zufall war, dass gerade der 1. August war…?!?

Zusammen mit Uwe bezogen wir dann ein Zimmer in der Nähe des Plazas, wo wir prima das Motorrad und die Fahrräder abstellen konnten. Der Blick der anderen Touristen war herrlich, als erst Uwe sein Motorrad hineinstellte und dann wir mit unseren Fahrrädern kamen. “Habt ihr etwa bei dem angehängt?” Hier hat es noch ein deutsches Paar, welches auch per Fahrrad unterwegs ist. Sie machen eine Weltreise und fingen per Rucksack an, kauften sich dann in Australien Motorräder und das passte ihnen auch nicht. Nun haben sie zwei Fahrräder. Sie fuhren per Bus von der Grenze Ecuador bis nach Cusco. Offenbar haben die Beiden Typhus und rennen nun von Arzt zu Arzt. Eine andere Schweizerin aus dem Hostal hat auch Durchfall und nun Angst, dass sie Typhus hat. Sie ging am nächsten Tag ins Spital. Jedenfalls kommen sie uns alle ziemlich fit vor wenn man daran denkt, dass sie eine der schwersten Reisekrankheiten überhaupt aufgelesen haben. Sie reisten extra nicht durch Bolivien, weil dort anscheinend eine ganze Epidemie ausgebrochen sei. Die Impfung haben sie nicht gemacht, weil sie eh nichts bringen sollte. Na gut, wenn das stimmt, dann bekommen wir nun auch Typhus. Wir teilen nämlich das Klo mit ihnen und haben schon Hände geschüttelt. Wir sind zwar geimpft, aber das bringt ja nichts. Ist also gut möglich, dass unser gemütliches Hostal bald zur Quarantänestation mutiert…

1 Kommentar:

  1. isch scho unglaublich was mer uf em so a lang trip alles erlebt........hoch intressant i geschichte......find es cool das mer au emal mit em camper unterwegs isch.....die völligi verbisseheit findi au nöt gut...es isch immer wieder lustig wie mehr schwizer trifft a alle nicht denkbare orte... bliebt gsund und zwäg... güntifree

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