18.08.2011

Cusco-Puno

Zweifellos ist Cusco eine der schönsten Städte unserer Reise. Man muss allerdings eine kleine Portion Humor mitbringen, damit das so ist. In Cusco wird dem Touristen nämlich ein Peru vorgegaukelt, das es gar nicht gibt. Verkleidete Frauen mit jungen Ziegen oder kleinen Kindern im Arm bieten sich für Fotos bei den Touris an, welche dafür ein paar Soles bezahlen. Wir beobachteten auch lächelnd ein Mädchen, das unter ihrer Tracht die Adidas-Trainerhose hochkrempelte. Grundsätzlich sind die traditionellen Indios nämlich der Meinung, dass man ihnen einen Teil der Seele klaut wenn man sie fotografiert. Das ist übrigens mitunter ein Grund, weshalb wir praktisch keine Fotos der bunt gekleideten Menschen haben. Entweder die Touristen schiessen die Fotos aus dem Hinterhalt, oder sie bezahlen eben die verkleideten “Normalos”.

Wir genossen unseren letzten Tag in der Touristenmetropole mit etwas herumschlendern, da kam ein Peruaner zu uns und fragte woher wir kommen. Als wir ihm Antworteten, dass wir aus der Schweiz sind begann doch der in perfektem Schweizerdeutsch zu reden: “Ah jo, denn reded ihr jo Schwiizerdütsch…!” Da waren wir völlig paff. Als Rolando (bei dem wir in Huanchaco eine Woche wohnen durften) uns erzählte, wie er einen mit Berner Nummernschild mit einem lässigen “grüezi” begrüsste, lachten wir laut. Aber wenn ein Peruaner einfach anfängt Schweizerdeutsch zu sprechen, dann erschrickt man wirklich! Er lebte sogar nie in der Schweiz, sondern er lernte es einfach so beim servieren im Restaurant in dem er arbeitet. Sachen gibt’s…

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Wird besuchten dann den berühmten 12-eckigen Stein, um den so viel Rummel gemacht wird. Milena hatte sich den Stein wohl etwas anders vorgestellt, denn sie musste erst einmal lachen als sie das unspektakuläre Ding in der Mauer sah…

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Als wir das neu eingespeichte Hinterrad (jetzt für V-Bremsen) von Milena abholten, fehlte das Felgenband. Wir gaben der Dame noch Zeit bis am nächsten Morgen, um das Felgenband zu holen. Als wir am nächsten Morgen vorbei kamen, hatte sie es natürlich vergessen. “Geht das auch mañana?” NEIN! Jetzt!!! Sie sprang ins Taxi und stand 10min später mit dem Felgenband da. Dass dann noch eine Feder am Ende der Achse fehlte, ignorierten wir etwas genervt. Zum Glück hatten wir einen Ersatz dabei…

Am nächsten Morgen fuhren wir die 48km nach Urcos. 30km bergab, 15 bergauf. Richtig fair. Ausser dass Oli unterwegs einen Platten hatte. Am nächsten Morgen stand sein Fahrrad dann nochmals mit einem Platten da. Irgendwie wollte der 5-mal geflickte Schlauch einfach nicht mehr so richtig…

IMG_4107 Tempel “Huambutio” zwischen Cusco und Urcos

Von Urcos ging es dann 97 hügelige Kilometer nach Sicuani. Eigentlich wollten wir nur bis Tinta fahren, da uns die Strecke nach zwei Wochen ohne Radfahren etwas geschlissen hatte. Aber die letzten 40km wurde es schön eben und wir flogen mit einer gewaltigen Portion Rückenwind nach Sicuani. Unterwegs überholten uns noch Peter und Ursi mit dem Wohnmobil und erkundigten sich über unser Wohlergehen. Daran könnte man sich durchaus gewöhnen!

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Nach Sicuani schlichen wir uns an unser nächstes Schamakerl an. Den 4338m hohen “Abra la Raya”. Netterweise hielt sich die Steigung noch in Grenzen. Nicht zuletzt, weil auch der Touristenzug der Perurail da hochfahren muss. Wer die rauchenden und ratternden Züge der Perurail kennt, erwartet von dem Pass nicht allzu viel. Oben wurde es dann allerdings schon noch heftiger. Erstaunlich wie die Züge da hoch kommen!

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Unterwegs kamen wir zum ersten mal seit unserer Reise in eine ziemlich brenzlige Situation: Wir kamen an eine normale Strassensperre wegen Bauarbeiten. Ein Mann stand da mit einer roten Fahne und eine Sperre aus Holz stand auf der Strasse. Dann nahm er die Sperre weg und winkte uns mit der grünen Fahne hindurch. Ein paar hundert Meter weiter vorne ertönten plötzlich Pfiffe von allen Seiten. Rechts oben am Berg standen ein paar Dutzend Männer die schrien: ”Achtung! Steine!!!” In dem Moment knallte die Sprengung oben am Berg und bis zu Fussballgrosse Steine flogen wie Geschosse haarscharf an uns vorbei. Milena ein paar Meter weiter hinten wäre beinahe getroffen worden. Sie legte dann in ihrer Panik einen Rekordverdächtigen Sprint ein. Die Steine kamen mit einer solchen Wucht da runter, dass man sie gar nicht mehr sah. Hätte uns einer davon getroffen…daran dürfen wir wohl gar nicht denken. Der Mann mit seiner grünen Fahne erschrak ab seinem Fehler wohl am meisten. Wir hatten aber keine Lust nochmals umzukehren und fuhren weiter den Pass hoch.

Nach 40km permanent bergauf fahren ist man schon etwas k.o. Wenigstens gibt es hier endlich einmal ein hübsches Passschild. Die Peruaner schreiben nämlich jede noch so kleine Brücke mit Namen, Länge und max. Traglast an, aber die spektakulären Pässe nicht. Meistens geht es einfach irgendwann schleichend bergab und dann merkt man erst, dass die Passhöhe erreicht ist.

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Nach kurzer Abfahrt slalomfahrend um applaudierende Schulkinder rollten wir dann ins berühmte Altiplano hinein. Diese andine Hochebene zwischen 3500 und 4000müM führt von hier bis weit nach Bolivien hinein. Im Reiseführer ist die Strecke als öde beschrieben, doch so langweilig fanden wir das auch wieder nicht. Strahlend blauer Himmel, weisse Wolken, knallgelbe Grassteppe und tausende grasende Alpakas begleiteten uns kilometerweit. Die leuchtenden Farben schmerzten schon fast in den Augen.

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30km nach der Passhöhe fuhren wir in Santa Rosa ein und fanden eine Hospedaje. Am nächsten Morgen machten wir uns auf in Richtung Juliaca. Eigentlich wollten wir nur die 40km bis Ayaviri fahren, doch wir waren schon um 10.30 dort. Wir assen dann etwas (ausnahmsweise gab es mal kein Poulet, sondern leckeres Alpaka) und fuhren weiter. In Pucara sahen wir dann auch eine Hospedaje, doch auch da war es erst 14.30. Die Strasse war so gut und wir kamen trotz Gegenwind so schön vorwärts, dass wir uns die 62km bis nach Juliaca durchaus zutrauten. Wir konnten ja nicht ahnen, dass die Strasse danach über 40km weit eher einem Kraterschlachtfeld, als einer Strasse gleicht. Es hatte so viele Schlaglöcher und Risse, dass auch wir mit den Velos nicht mehr ausweichen konnten.

Irgendwann trafen wir dann einen Bauarbeiter und als wir neben ihm waren kam Oli urplötzlich auf die Idee ihn zu fragen, ob die Strasse bis Juliaca so mies ist und bremste ohne Vorwarnung ab. Normalerweise hat Milena eine gute Reaktionszeit, aber nach 100km liess diese sie dann doch im Stich. Ihre Vorderradtasche verhedderte sich in der Hinterradtasche von Oli und diesmal schmierte es sie so richtig hin. Einen Moment lang dachten wir, ihr Arm sei gebrochen. Zum Glück ist er aber noch ganz. Sie hat nur blaue Flecken an der Hüfte und ein aufgeschlagener Ellbogen, sowie Schürfwunden am rechten Knie gleich neben der hübschen Narbe aus Costa Rica. Das hat aber schon ziemlich geknallt und ihr wurde einen Moment lang etwas schlecht.

Die letzten 20km wurde die Strasse dann nach einer zeitraubenden Baustelle wieder gut, dafür hatten wir unseren Erzfeind (Gegenwind) wieder einmal bei uns. Wir waren total am Ende und es wurde mal wieder dunkel. Als wir Juliaca erreichten, war es sogar stockdunkel und uns überholten noch zwei bepackte Harley`s mit zwei Männern aus Lima. Die hatten eine wahnsinns Freude an uns und wollten unbedingt mit uns Koka-Blätter kauen. Wir waren todmüde, hungrig, hatten dank der eiskalten Luft total trockene Munde und durften dann noch diese trockenen Blätter kauen. Das war ja ein Spass…! Die Beiden flippten fast aus und fragten uns, ob wir heute auch noch nach Puno fahren. Nein, lieber nicht!

Die Gegend um Juliaca und Puno gilt derzeit als etwas heikel. Seit Monaten schon liefern sich die Bewohner dieser Region einen regelrechten Kampf mit der Regierung und keiner konnte genau sagen ob die Strecke derzeit überhaupt ohne Blockaden passierbar ist. Einen Tag ist es ruhig, am Nächsten geht wieder die Post ab. Wir fuhren einfach auf gut Glück los und hofften, dass wir allfällige Strassenblockaden ungehindert passieren dürfen. Uns kamen auf dieser Strecke einige Busse mit eingeschlagenen Frontscheiben entgegen und vor Juliaca sahen wir auch schon die nächsten Steine parat liegen. Aber es war ruhig und mal abgesehen von den vielen Glasscherben am Boden deutete auch gar nichts darauf hin.

Nach langen 145km klopften wir mal wieder etwas erschöpft bei einer Hospedaje an. Erst musste Milena sich einer Horde kleiner Mädchen stellen und dann durften wir mal wieder zuerst unzählige Fragen beantworten, bevor wir endlich essen gehen konnten. Es waren aber sehr lustige und freundliche Leute. Zu allem Überfluss kam beim Abendessen auch noch ein junger Brasilianer (er sprach zumindest Portugiesisch) und der hatte irgendein Problem mit uns. Da hat wohl einer das Koka nicht nur gekaut…?!? Er schrie uns wild gestikulierend auf Portugiesisch an und das einzige was wir und alle anderen Gäste verstanden war irgendetwas mit “in deinem Land”. Dem passte wohl unsere Hautfarbe nicht. Etwas verdutzt waren wir schon als er nach 10 Sek. schimpfen noch schnell eine Plastiktüte aus dem Restaurant klaute und wieder abzog… Der Einzige, der uns hier in Peru schräg kam ist ein Brasilianer gewesen. Der hatte wohl wirklich ein Problem mit Ausländern. Die nette Restaurantbesitzerin jedenfalls meinte nur, dass der etwas “loco” ist. Auslachen konnten wir ihn dann aber schon noch. Zusammen mit allen anderen Gästen im Lokal…

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Aus der Chaos-Stadt Juliaca herauszufahren, war ein Abenteuer für sich. Vor lauter Gehupe verstand man sein eigenes Wort nicht mehr und Fahrradtaxis und Tuktuk’s quetschten sich überall rein. Wir gaben Gas, damit wir das schnell hinter uns hatten…

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Die Strecke nach Puno hingegen war ziemlich öde. Die ganzen 45km roch es nach Verwestem und wir fanden auch schnell heraus warum. Der Strassenrand dient hier nämlich auch als Schlachthof für Kühe. Den Abfall lassen sie in schwarzen Plastiksäcken liegen. Dies sorgte dafür, dass wir alle hundert Meter einen netten Würgereiz bekamen. Das stank mehr, als alles Verweste der gesamten letzten acht Monaten! Zuletzt durften wir uns nochmals einen Pass hochquälen, bevor wir endlich den schönen Titicacasee mit nettem Panorama zu Gesicht bekamen. Bis nach Puno konnten wir es gemächlich ausrollen lassen.

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Freudig quartierten wir uns in einem Hostal ein und rannten schnell ins Restaurant nebenan. Dort stand nämlich Spaghetti auf dem Speiseplan. Kaum sassen wir am Tisch, schrie die Frau “dos almuerzos!” in die Küche und schon hatten wir eine Suppe, Poulet und Reis auf dem Tisch. Aargh…!

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