30.03.2011

Zipaquira-Bogota

“Was? Ihr wollt mit dem Fahrrad nach Bogota?!? Nein, tut das ja nicht…da ist Chaos pur…!!!” So tönte es aus allen Seiten wenn wir sagten, dass wir nach Bogota fahren. Immerhin ist Bogota mit seinen 8,5 Mio. Einwohner (inoffiziell sollens rund 12 Mio. sein) die grösste Stadt unserer gesamten Reise und praktisch alle anderen Radler haben diese umfahren. Das machte uns natürlich schon etwas nervös und wir hingen deswegen 4 Tage lang in Zipaquira rum weil wir am Sonntag nach Bogota radeln wollten. Sonntags ist nämlich die “Ciclovia”, der autofreie Sonntag in der Innenstadt. Nur mussten wir erst 30km quer durch Bogota fahren, um überhaupt zur Innenstadt zu gelangen… Gut, ehrlich gesagt blieben wir nicht gerade ungern in Zipaquira, denn wir wurden bereits am ersten Morgen um 5.00 von dem herrlichen Duft frischen Brotes geweckt. Erst dachten wir, es sei eine Fata-Morgana aber gleich unter unserem Hotel stand tatsächlich die wohl beste Bäckerei ganz Kolumbiens. Da gab es sensationelle, knackige Brötchen und wir konnten das Frühstück jeweils kaum erwarten…

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So schlichen wir uns frühmorgens ganz leise aus Zipaquira heraus und schon einen Kilometer später kam die Überraschung: Radweg! Hier gibt es einen richtigen Fahrradweg und der verläuft sogar zweispurig und abgetrennt von der grossen Strasse. Die Hauptstrasse wurde dann langsam zur vierspurigen Autobahn und wir bekamen für ein kurzes Stück eine eigene Fahrbahnspur, welche dann aber wieder zum Radweg wurde. Da hatten wir ja Freude…

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Wir wählten die nördliche Einflugschneise (über die autopista norte). Keine Umwege über weniger stark befahrene Strassen sondern ganz einfach “mittendurch”. Nach etwa 30km kam das Schild “Bienvenidos a Bogota”, doch wir sahen noch kein einziges Haus. Erst nach und nach reihten sich die Häuser und dann kamen langsam auch die Wolkenkratzer. Wir fuhren die ganzen 30km auf einem Radweg weit weg von den Autos und die Etappe war ein hübsches Sonntagsfährtchen. Kein Stress, kein gehupe. Nur auf die vielen Fussgänger mussten wir etwas aufpassen. Den Radweg mussten wir teilweise aber erraten und manchmal war es etwas ein gezirkel, aber zum Glück hatte der “Strasseningenieur” Bogotas in etwa die gleiche Logik wie wir…

Und dann das Unfassbare: Im übelsten Viertel ganz Bogotas machte es “pfffft”…und drei mal dürft ihr raten…! Wir waren genau neben einem dieser finsteren, ungemütlichen Pärkchen und Milena fluchte so dermassen laut, dass sie die ohnehin schon erregte Aufmerksamkeit noch vervielfachte… Zum guten Glück sind wir aber in Kolumbien und keine Minute später standen die “Helden in Uniform” neben uns und keiner durfte näher als 5m an uns heran. So konnten wir laut fluchend, aber in Ruhe den Schlauch wechseln. Zur Verteidigung der neu gekauften Sachen: Es war ein riesiges Stück Draht, welches durch den Reifen in den Schlauch kam. Da ist ein Platten schon legitim… Milena nahm auch ihre Aussage, welche sie in Zipaquira machte (noch einen Platten und ich kauf mir ein Motorrad) schnell wieder zurück. Sie liebt ihr Fahrrad halt doch auch in schlechten Zeiten…

Die Ciclovia ist hier in Bogota ein Riesending und anstatt Autos hatte es tausende Fussgänger, Radfahrer und Inlineskater auf der Strasse. Wir merkten schnell was für uns gefährlicher ist: die Autos, an die wir uns schon lange gewöhnt haben oder die kleinen Jungs die uns mit ihren Velos seitlich von hinten abschossen… Aber es war toll! Wir stellten unsere Räder ins nächstbeste Hotel und gingen gleich raus auf die Strasse. Die Ciclovia ist ein riesen Fest und überall gab es Komiker, Pantomimen, Puppenspieler und sogar ein Meerschweinchenrennen. Letzteres war ziemlich amüsamt: Da standen 2 Meerschweinchen und rund 20 Häuschen. Auf die Häuschen legte man ein paar Cents und wenn das Meerschweinchen in genau dieses Häuschen rannte, hat man gewonnen. Milena hat das mit der Nr. 13 auch tatsächlich noch hingekriegt! Sie setzte etwas Geld, welches wir jeweils für die Bettler im Hosensack haben und gewann das Vierfache. Den Gewinn bekommen somit die vielen Bettler auf Bogotas Strassen…

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Wir haben hier ein gemütliches Backpacker-Hostel und zum ersten mal seit Cartagena mal wieder eine Wäscherei. Die Freude war riesig! Jetzt wird unsere Wäsche, welche wir seit 5 Wochen immer Abends kurz von Hand ausgewaschen haben endlich mal wieder richtig durchgeschleudert…

Hier trafen wir auch zum ersten mal seit Wochen mal wieder auf andere Touristen. Da sind natürlich Horrorgeschichtchen vorprogrammiert… Die Touris sind schon sehr gefährlich denn nach 5-minütiger Konversation hat man echt Angst, einen Fuss auf diese heissen Strassen zu setzen. “Fasst nichts an wenn einer euch was in die Hand drückt! Es hat ein Gift dran, welches durch eure Haut dringt und euch willenlos macht!”. Den kennen wir, dieses Mittel wird einem ins Getränk gemischt. Aber dass das auch durch Häute dringt, ist uns leider nicht bekannt. Aber wir witzeln jetzt natürlich jedes mal, wenn uns ein Flyer in die Hand gedrückt wird…

Hier im Hostel hat es auch einen Ecuadorianer namens Luis (wie kann es auch anders sein...), welcher in Zürich lebt und einen ziemlich lustigen Deutschen, der wiederum in Barcelona wohnt. Wir sprechen alle Spanisch zusammen, denn der ecuadorianische Schweizer lernt erst Deutsch und der Deutsche meint: “Ich kann kein Deutsch, ich bin aus Bayern…!” Neu kam auch ein lustiger Kolumbianer dazu. Der lebt in Santa Marta und arbeitet hier in Bogota. Er wohnte ein halbes Jahr in der Schweiz, wurde dann aber ausgewiesen. Wenn er Geschichten über "typische Schweizer Eigenschaften" erzählt, schreien wir fast vor lachen! Für einen Kolumbianer, welcher zum Frühstück ein saftiges Steak futtert ist es offenbar sehr lustig wenn ein Schweizer 6 Gipfeli isst...!

Heute kam noch die Überraschung: Ein Schweizer Reiseradler! Heinz ist momentan noch alleine unterwegs, wartet hier aber auf seine Freundin. Zusammen radeln sie durch Kolumbien. Sie werden genau unsere Route fahren und wir die von ihm in umgekehrter Richtung. Da hatten wir uns natürlich eine Menge zu erzählen und wir staunten über seine tollen Fotos. Heinz ist seit 8 Monaten unterwegs und seine Reise neigt sich langsam dem Ende zu. War super mal mit einem "erfahreren" Radler zu quatschen. Luis konnte sich kaum noch erholen. "Puta Madre! Todos los suizos son locos!"

In Bogota kann man sehr viel unternehmen. Es soll mehr als 80 Museen geben und dann kann man noch mit einer Zahnradbahn auf einen ziemlich steilen Berg. Von dort hat man eine fantastische Sicht über ganz Bogota. Die Zahnradbahn selbst fand Milena (zumindest beim hochfahren) nicht ganz so lustig. Sie wurde schon etwas bleich… Aber als wir oben waren, brachten wir unsere Mäuler kaum mehr zu. Wir fragten uns beim Anblick dieser tausenden von Gebäuden ernsthaft, wie wir da nur rein geraten sind. Unsere gefahrene Strecke konnten wir nur erahnen…

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“Unser Viertel”

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Was man in Bogota auch auf keinen Fall verpassen darf ist das berühmte Goldmuseum. Unglaublich, wie früh da schon mit Gold rumgebastelt wurde. Satte dreimal ging der Feueralarm ab und jedes mal spielten wir mit dem Gedanken, die Scheiben schnell einzuschlagen…

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25.03.2011

Chiquinquira-Zipaquira

Das Magenproblem von Milena wurde schlussendlich noch von Schuettelfrost und Fieber begleitet, ist nun aber wieder gut. Dummerweise mochte sie aber nicht mehr so viel essen wie sonst und deshalb wurde die folgende Bergetappe etwas anstrengender als ¨normalerweise¨.

Unsere erste Etappe fuehrte uns aber erst durch wunderschoene und vor allem ebene 54km nach Ubate. Wir radelten entlang einer Lagune auf 2500m Hoehe. Wir dachten erst, wir radeln durch den schweizerischen Fruehling denn die hunderte von schwarz-weissen Milchkuehen und die sehr schweizerische Landschaft erinnerte uns doch sehr stark an Zuhause. Auch das Fruehstueck bestehend aus Brot, Kaese, heisser Schoki und Ruehrei trug seinen Teil dazu bei. Das Klima war fantastisch. Nicht kalt und vor allem nicht zu warm. Das war mit Abstand die schoenste Etappe unserer bisherigen Reise.

Loch-Ness???

In Ubate fanden wir ein nettes Hotel mit Warmwasser. Etwas respekt haben wir allerdings schon von diesen ¨Elektroschlag-Duschen¨, denn Milena hatte vor einigen Jahren schon mal einen kleinen Stromschlag unter solch einer Dusche bekommen. Kein Wunder aber bei diesen Kabeln, die da so abisoliert rumhaengen...


Am naechsten Morgen gings zuerst 10km huegelig weiter und dannach ueber einen 3100m Pass und spaeter wieder runter auf 2600m. Kaum losgefahren, begann es wieder fuerchterlich zu regnen und wir waren innert kuerzester Zeit klitschnass. Der Schwerverkehr draengte sich immer haarscharf an uns vorbei und irgendwann wendeten wir eine neue Taktik an: Kommt uns ein Lastwagen entgegen und ein anderer will uns gleichzeitig ueberholen, so fahren wir mitten auf die Fahrbahn. Ueberfahren tun sie uns naemlich nicht. Von daher bleiben sie dann (meistens sturmhupend) hinter uns und warten. Wenn wir allerdings im Rueckspiegel zwei nebeneinander fahrende ¨Peligro-Lastwagen¨ sehen, verschwinden wir schnell von der Fahrbahn. Diese sind naemlich mit 40'000 Liter Benzin gefuellt und rasen wie bloed um die scharfen Kurven...
Oben auf dem Pass wurde es natuerlich auch ziemlich kalt und Milena fror trotz 2 Pullover, einer Daunen- und Regenjacke wie ein Schlosshund...


Dementsprechend wollten wir auch schnell wieder runter von diesem Berg und da machte es bei vollem Tempo wieder einmal ¨pffffft¨ bei Milena's Hinterrad. Platten Nr.8!!! Bei Platzregen und Schlamm durften wir mit gefrorenen Haenden uns mal wieder ans Schlauchwechseln machen. Diesmal aber wurden wir schon etwas sauer. Das kann es doch nicht sein...
In Zipaquira fanden wir ein super Fahrradgeschaeft. Wir nahmen Milena's Hinterrad, drueckten es einem Mitarbeiter in die Hand und liessen gleich alles neu machen. Neues Felgenbett, neuer Schlauch und neuer Reifen. Tatsaechlich waren unsere Schlaeuche, welche wir aus der Schweiz mitnahmen zu klein fuer unsere Reifen. Der ¨superstabile¨ Schwalbe-Reifen hatte nach nur 500km 2 ziemlich grosse Risse und seitlich ein Loch. Er wurde uns gratis repariert. Den nehmen wir nur noch als Ersatz und Schlaeuche in der korrekten Groesse haben wir nun auch nachgekauft. Hoffendlich hoert das jetzt endlich auf.

Hier in Zipaquira gibt es eine der groessten Attraktionen Kolumbiens: Eine unterirdische Salzkathedrale. Das liessen wir uns natuerlich nicht entgehen und wir machten uns zu fuss auf den Weg. Dummerweise gingen wir offenbar direkt in Richtung eines ziemlich gefaehrlichen Viertels, denn ein netter Velofahrer machte uns darauf aufmerksam, fuehrte uns auf den richtigen Weg und begleitete uns bis zum Eingang der Salzkathedrale. Hier kann uns wohl unmoeglich etwas zustossen...

Der Stollen fuehrte 190m labyrinthartig in den Berg hinein. Das schummrige Licht und das grummeln der Sprengungen in der Salzmine sorgte schon fuer etwas Gaensehaut. Die Kathedrale selbst war natuerlich (wie alle hier) wunderschoen, nur eben alles aus Salzstein. Sehr beeindruckend.


21.03.2011

San Gil-Chiquinquira

Von dem netten San Gil trennten wir uns nur ungern. Trotzdem fuhren wir los durch huegelige Landschaft in Richtung Socorro, wo mal wieder ein grosser Umzug stattfand. Eigentlich ist immer was los, wenn wir irgendwo ankommen...

Diesmal allerdings handelte es sich um einen ziemlich lustigen Polizei- und Militaerumzug, bei dem auch die Schueler der verschiedenen Universitaeten mitmachten. War wirklich super. Wir beobachteten lange die Jungs von der Militaerakademie, die das ganze nicht so ernst nahmen und lieber Pommes Frites holten, als auf die sehr genervte Kommandantin zu hoeren. Wir konnten uns kaum noch halten vor lachen...

Radinspektion...

Von Socorro fuhren wir ueber Olival nach Barbosa. Dort war eine kleine Zwangspause wegen Oli's Knie angesagt, welches ploetzlich schmerzte. Zudem hatte Oli auch noch Geburtstag, welcher mit einem sehr leckeren Abendessen und einem Stueck Schokoladentorte gefeiert wurde.

Auch am naechsten Tag gab es etwas zu feiern. Milena's Schwester hat geheiratet und das musste natuerlich erst recht mit einem leckeren Essen gefeiert werden...

Dummerweise war etwas an ihrem Essen faul, denn am selben Abend hatte sie eine ueble Magendarm-Verstimmung. Nochmals eine Zwangspause wollten wir nicht und darum fuhren wir trotzdem weiter in Richtung Chiquinquira. Unsere zweite Bergetappe fuehrte uns auf knapp 2700m. Magenkraempfe und Uebelkeit sorgten dafuer, dass es Milena auch ja nicht zu wohl wurde. Der liebe Oli nahm ihr aber den Packsack mit der Kuechenausruestung ab und so hatte sie wenigstens etwas weniger Gewicht. Als wir oben am Berg waren, begann es natuerlich auch noch kraeftig an zu regnen und durchweichte uns gruendlich. Zusaetzlich ist es hier auf 2700m auch noch ziemlich kalt und im Hotel in Chiquinquira fragten wir als allererstes "Hay agua caliente?" Das loeste etwas Gelaechter unter den anderen Hotelgaesten aus. Diese doofen Touristen...

Chiquinquira ist eine schoene Stadt und ein ziemlich beliebter Pilgerort. Die Stadt nennt sich "religioese Hauptstadt Kolumbiens" und hat viele schoene und grosse Kirchen.





15.03.2011

Mompos-San Gil

 

Gut erholt fuhren wir weiter in Richtung El Banco dem Rio Magdalena entlang. Die Freude währte aber nicht sehr lange:

Die Erdstrasse wurde, dank des Regens in der Nacht von dem wir dummerweise nichts mitbekommen haben zur recht üblen Schlammpiste. Die Erdmasse klebte wie Lehm an unseren Rädern und selbst beim stossen rutschten wir immer wieder aus. Milena verknackste sich dabei den Fuss, dass dieser dick anschwoll und sie kaum noch drauftreten konnte. Zum Glück wurde es schnell 45° warm und somit trocknete die Piste wieder. So wurden wir zwar gründlich paniert von den vorbeifahrenden Fahrzeugen, konnten aber wunderbar fahren. Die Piste führte 74km weit dem Fluss entlang durch wunderschöne Landschaft mit sehr vielen Vögeln. Kurz vor El Banco stellten Kinder Strassensperren auf, welche man nur gegen “Wegzoll” passieren durfte. Zum Glück senkten sie bei uns aber immer die Schnüre, denn wir hatten leider alle unsere Süssigkeiten selber schon gegessen. In El Banco kauften wir dann extra Bonbons für die nächsten “Strassensperren”.

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Wir überlegten uns schon vorher, ob wir die schöne Bootsfahrt nach Barrancabermeja auf dem Rio Magdalena, oder die Strecke über Bucaramanga per Rad machen sollen. Da wir ja in nächster Zeit noch genug Radeln werden, entschieden wir uns für das Boot.

Beim Verladen der Fahrräder auf das Boot, mussten wir schon wieder “Verhandlungen” führen, denn der abgemachte Preis war plötzlich um 30`000 Pesos (15 Dollar) gestiegen. Bei den Gringos kann man`s ja mal versuchen. Danach gings endlich los und wir bretterten mit 60Km/h zwischen dem vielen Treibholz den Fluss aufwärts. Ab und zu polterte es gewaltig am Bootsrumpf, wenn unser Capitain mal wieder einen Holztremmel übersehen hatte oder nicht mehr ausweichen konnte. Nur einmal wurde es ein bisschen brenzlig, als wir ein Boot mit Flusspiraten passierten. Die Jungen Männer (so zwischen 9 und 17 Jahren) in Kampfuniform und Maschinengewehr folgten uns aber zum Glück nicht sehr lange. Die Einheimischen in unserem Boot wurden auch ganz schön nervös und auch der sonst so coole Capitain schaute auch nach 10 Minuten immer noch wieder zurück ob sie uns wirklich nicht mehr folgten. Dann aber nach 7 langen Stunden kamen wir mit ein bisschen Sitzlederschmerzen in Barrancabermeja an. Am Nächten Morgen verfrachteten wir unsere Räder wieder in einen Bus (natürlich wieder um den Preis feilschen müssen) und fuhren ins 100Km entfernte Bucaramanga. Auch diese Entscheidung den Bus zu nehmen stellte sich als richtig heraus, denn nach diversen Erdrutschen war die Strasse in einem üblen Zustand. Da hätten wir mit unseren Rädern ganz schön zu kämpfen gehabt. Bucaramanga mit rund 700.000 Einwohner liegt auf 960müM und dort herrscht bereits ein wesentlich angenehmeres Klima. Von dort aus besuchten wir auch die sehr hübsche Kolonialstadt Giron.

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In Bucaramanga machten wir auch den ersten Versuch, unsere gebrannten DVD’s mit Fotos und Videomaterial in die Schweiz zu schicken. Gar keine einfache Prozedur… Satte 17 Unterschriften und 2 Fingerabdrücke wurden von Milena verlangt, damit das kleine Päckli in den Flieger zu ihrer Mutter in die Schweiz durfte. Gekostet hat es soviel, wie 3 Übernachtungen in einem durchschnittlichen Hotel und wir verbrachten ganze 2h im Büro von Depris, der Luftpost der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca. Aber das Päckli kam tatsächlich nur 4 Tage später in der Schweiz an, also hat sich der ganze Aufwand wenigstens gelohnt!

Wir fuhren weiter in Richtung Pescadero über ein kleines Pässchen auf 1200 m. Pescadero ist ein Dörfchen, welches aus einem Polizeiposten und rund 20 Häusern besteht. Es liegt eingebettet zwischen den Bergen in einem Tal und liegt auf 550m. Die Abfahrt hinab in den Canyon de Chicamocha war wunderschön. Überall wuchsen grosse Kakteen und Bäume die mit Tillandsien behangen waren.

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               Abfahrt in den Canyon Chicamocha nach Pescadero

In Pescadero hat es leider kein Hotel. Wir fuhren trotzdem runter weil wir dachten, das hätte sich in der Zwischenzeit geändert. Unser Velo-Reiseführer ist von 2007 und schon ziemlich veraltet. Schon viel Neues haben wir entdeckt, was darin noch nicht beschrieben war. Und tatsächlich es gibt  neuerdings ein Hotel in Pescadero, aber das war noch ziemlich im Rohbau. Plötzlich sahen wir einen kleinen Park am Strassenrand, der auf den ersten Blick als solcher gar nicht zu erkennen war. Am Eingang stand nur Restaurant aber bei der Einfahrt sahen wir zwei herrliche Naturpools mit Wasserfall. Das beste am ganzen war, dass wir unmittelbar vor einem der Pools zelten durften. Den ganzen Nachmittag planschten wir im eiskalten Wasser (willkommen in den Anden) und schlugen uns die Bäuche voll. Ein etwa vierjähriger Junge kam erhobenen Hauptes auf unser kleines Lager zu, ging mit einem prüfenden Blick einmal um unser Zelt herum und fragte Oli: “Aber hey, wo sind denn die Kinder?” Oli erklärte ihm, dass da nur wir zwei sind, die im Zelt schlafen. Ganz empört meinte der Kleine: “Das Zelt ist doch für Kinder…” und dann stiefelte er genauso selbstbewusst wieder davon, wie er kam. Ganz verwirrt schauten wir unser Zelt an. Was haben die uns denn da verkauft?!? Liebe Leute aus dem Tretlager Winterthur, wir werden nächstes Jahr noch miteinander reden… ;-)

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Gegen Abend verliessen die Leute den Park nach und nach und auch das Restaurant wurde dunkel. Wir dachten einen Moment wir seien nun alleine, da sah Milena eine Gestalt neben sich stehen. Der Umriss eines Nachtwächters mit Maschinengewehr erschreckte sie so dermassen, dass sie den netten Mann beinahe anschrie. “Willkommen im sichersten Ort kolumbiens…ich bin euer Securitas und werde die ganze Nacht auf euch aufpassen”, sagte dieser mit einem breiten Grinsen. Der nette Mann in Uniform nahm seinen Job sehr ernst. Er sorgte sich sehr um unser Wohlbefinden und brachte uns zwei Stühle, zündete mit seiner Taschenlampe als wir kochten und wir diskutierten miteinander über das Erdbeben in Japan. Zwischendurch drehte er seine Runden und schaute nach dem Rechten. Er warnte uns vor unserer nächsten Bergetappe nach Aratoca. Das allerdings taten die Leute schon in Bucaramanga. “Todo arriba!” Jaja, das kennen wir ja…

Am nächsten Morgen starteten wir sehr früh, und überquerten den Fluss des Canyon de Chicamocha. Von da an ging es nur noch bergauf. Die ersten 3km kamen uns sehr lange vor aber die restlichen 24km ging es dann erstaunlich einfach voran. Der Fluss unten im Tal wurde immer kleiner und der Berg immer grösser. Die Aussicht war bombastisch. Man sah bis zum Horizont die riesigen Ausläufer der Ostkordillere der Anden und über dem Canyon kreisten grosse Geier ihre Runden. Irgendawann erreichten wir einen ganz neuen Freizeitpark, wo es ein tolles Freiluftrestaurant mit leckeren Empanadas mit Würstchen drin gab. Die Polizei erlaubte es uns, ohne Eintritt zu bezahlen in das Restaurant zu gehen. Vermutlich hatten sie etwas Mitleid mit uns… An Herzlichkeit mangelt es bei den Kolumbianern überhaupt nicht. Sie spornten uns die ganzen 27km regelrecht an, hupten, jubelten und johlten uns zu und reichten uns frische Orangen aus den Lastwagenfenstern. Wir wurden von allen Seiten fotografiert und zwei Jungs einer Gruppe der kolumbianischen Nachwuchsrennradler kehrten extra für ein Foto mit uns um und fuhren uns hinterher. Als wir aber die Waden der Rennradfahrer sahen wussten wir auch schnell, was da in den nächsten 10 Monaten noch so alles auf uns zukommt…

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Am frühen Nachmittag erreichten wir das Dorf Aratoca auf 1800müM und stellten fest, dass das mit dem “27 kilometros todo arriba” mal wieder übertrieben war. Es ging nämlich auch noch 100m bergab…

Aratoca ist ein sehr unscheinbares Dörfchen, welches eigentlich keine herausragende Sehenswürdigkeiten hat. Dennoch hatten wir sehr viel Mühe mit dem Abschied nehmen. Schuld daran war das neue Hotel “Ara y Toca”, welches einfach wunderschön ist. Wir bekamen ein Bungalow mit eigener Küche für uns ganz alleine. Zwei grosse, schöne deutsche Schäferhunde passten auf uns auf und morgens gab es leckeres Aratoca-Brot mit Kaffee. Unser wohl schönstes Hotel bis jetzt und die Finca hat auch eine supernette Leitung.

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Unser “Haus”

Gut erholt flitzten wir heute weiter bergauf. Aber nicht mehr so lange wie gestern. Auf knapp 2000müM gings erst hügelig, dann ziemlich rasant hinunter ins sehr sympathische San Gil auf 1100müM. Wir besuchten dann noch den Park El Gallineral, wo fast 2000 “chiminangos” (mit Tillandsia bewachsene “Puschelbäume”) stehen. War super.

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Hier in San Gil gibt es zur Abwechslung unseres Standartessens (Fleisch, Reis, Yucca, Kochbanane, Salat) eine kleine, kulinarische Abwechslung. Die sogenannten “hormiga culona” (geröstete Riesenameisen) werden hier am Strassenrand verkauft und natürlich wurden wir da neugierig. Lecker sind sie aber nicht unbedingt, schmecken ein bisschen salzig und die Beine bleiben einem im Hals stecken, aber probiert haben muss man das schon…

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