“Was? Ihr wollt mit dem Fahrrad nach Bogota?!? Nein, tut das ja nicht…da ist Chaos pur…!!!” So tönte es aus allen Seiten wenn wir sagten, dass wir nach Bogota fahren. Immerhin ist Bogota mit seinen 8,5 Mio. Einwohner (inoffiziell sollens rund 12 Mio. sein) die grösste Stadt unserer gesamten Reise und praktisch alle anderen Radler haben diese umfahren. Das machte uns natürlich schon etwas nervös und wir hingen deswegen 4 Tage lang in Zipaquira rum weil wir am Sonntag nach Bogota radeln wollten. Sonntags ist nämlich die “Ciclovia”, der autofreie Sonntag in der Innenstadt. Nur mussten wir erst 30km quer durch Bogota fahren, um überhaupt zur Innenstadt zu gelangen… Gut, ehrlich gesagt blieben wir nicht gerade ungern in Zipaquira, denn wir wurden bereits am ersten Morgen um 5.00 von dem herrlichen Duft frischen Brotes geweckt. Erst dachten wir, es sei eine Fata-Morgana aber gleich unter unserem Hotel stand tatsächlich die wohl beste Bäckerei ganz Kolumbiens. Da gab es sensationelle, knackige Brötchen und wir konnten das Frühstück jeweils kaum erwarten…
So schlichen wir uns frühmorgens ganz leise aus Zipaquira heraus und schon einen Kilometer später kam die Überraschung: Radweg! Hier gibt es einen richtigen Fahrradweg und der verläuft sogar zweispurig und abgetrennt von der grossen Strasse. Die Hauptstrasse wurde dann langsam zur vierspurigen Autobahn und wir bekamen für ein kurzes Stück eine eigene Fahrbahnspur, welche dann aber wieder zum Radweg wurde. Da hatten wir ja Freude…
Wir wählten die nördliche Einflugschneise (über die autopista norte). Keine Umwege über weniger stark befahrene Strassen sondern ganz einfach “mittendurch”. Nach etwa 30km kam das Schild “Bienvenidos a Bogota”, doch wir sahen noch kein einziges Haus. Erst nach und nach reihten sich die Häuser und dann kamen langsam auch die Wolkenkratzer. Wir fuhren die ganzen 30km auf einem Radweg weit weg von den Autos und die Etappe war ein hübsches Sonntagsfährtchen. Kein Stress, kein gehupe. Nur auf die vielen Fussgänger mussten wir etwas aufpassen. Den Radweg mussten wir teilweise aber erraten und manchmal war es etwas ein gezirkel, aber zum Glück hatte der “Strasseningenieur” Bogotas in etwa die gleiche Logik wie wir…
Und dann das Unfassbare: Im übelsten Viertel ganz Bogotas machte es “pfffft”…und drei mal dürft ihr raten…! Wir waren genau neben einem dieser finsteren, ungemütlichen Pärkchen und Milena fluchte so dermassen laut, dass sie die ohnehin schon erregte Aufmerksamkeit noch vervielfachte… Zum guten Glück sind wir aber in Kolumbien und keine Minute später standen die “Helden in Uniform” neben uns und keiner durfte näher als 5m an uns heran. So konnten wir laut fluchend, aber in Ruhe den Schlauch wechseln. Zur Verteidigung der neu gekauften Sachen: Es war ein riesiges Stück Draht, welches durch den Reifen in den Schlauch kam. Da ist ein Platten schon legitim… Milena nahm auch ihre Aussage, welche sie in Zipaquira machte (noch einen Platten und ich kauf mir ein Motorrad) schnell wieder zurück. Sie liebt ihr Fahrrad halt doch auch in schlechten Zeiten…
Die Ciclovia ist hier in Bogota ein Riesending und anstatt Autos hatte es tausende Fussgänger, Radfahrer und Inlineskater auf der Strasse. Wir merkten schnell was für uns gefährlicher ist: die Autos, an die wir uns schon lange gewöhnt haben oder die kleinen Jungs die uns mit ihren Velos seitlich von hinten abschossen… Aber es war toll! Wir stellten unsere Räder ins nächstbeste Hotel und gingen gleich raus auf die Strasse. Die Ciclovia ist ein riesen Fest und überall gab es Komiker, Pantomimen, Puppenspieler und sogar ein Meerschweinchenrennen. Letzteres war ziemlich amüsamt: Da standen 2 Meerschweinchen und rund 20 Häuschen. Auf die Häuschen legte man ein paar Cents und wenn das Meerschweinchen in genau dieses Häuschen rannte, hat man gewonnen. Milena hat das mit der Nr. 13 auch tatsächlich noch hingekriegt! Sie setzte etwas Geld, welches wir jeweils für die Bettler im Hosensack haben und gewann das Vierfache. Den Gewinn bekommen somit die vielen Bettler auf Bogotas Strassen…
Milena’s Gewinn-Meerschweinchen
Wir haben hier ein gemütliches Backpacker-Hostel und zum ersten mal seit Cartagena mal wieder eine Wäscherei. Die Freude war riesig! Jetzt wird unsere Wäsche, welche wir seit 5 Wochen immer Abends kurz von Hand ausgewaschen haben endlich mal wieder richtig durchgeschleudert…
Hier trafen wir auch zum ersten mal seit Wochen mal wieder auf andere Touristen. Da sind natürlich Horrorgeschichtchen vorprogrammiert… Die Touris sind schon sehr gefährlich denn nach 5-minütiger Konversation hat man echt Angst, einen Fuss auf diese heissen Strassen zu setzen. “Fasst nichts an wenn einer euch was in die Hand drückt! Es hat ein Gift dran, welches durch eure Haut dringt und euch willenlos macht!”. Den kennen wir, dieses Mittel wird einem ins Getränk gemischt. Aber dass das auch durch Häute dringt, ist uns leider nicht bekannt. Aber wir witzeln jetzt natürlich jedes mal, wenn uns ein Flyer in die Hand gedrückt wird…
Hier im Hostel hat es auch einen Ecuadorianer namens Luis (wie kann es auch anders sein...), welcher in Zürich lebt und einen ziemlich lustigen Deutschen, der wiederum in Barcelona wohnt. Wir sprechen alle Spanisch zusammen, denn der ecuadorianische Schweizer lernt erst Deutsch und der Deutsche meint: “Ich kann kein Deutsch, ich bin aus Bayern…!” Neu kam auch ein lustiger Kolumbianer dazu. Der lebt in Santa Marta und arbeitet hier in Bogota. Er wohnte ein halbes Jahr in der Schweiz, wurde dann aber ausgewiesen. Wenn er Geschichten über "typische Schweizer Eigenschaften" erzählt, schreien wir fast vor lachen! Für einen Kolumbianer, welcher zum Frühstück ein saftiges Steak futtert ist es offenbar sehr lustig wenn ein Schweizer 6 Gipfeli isst...!
Heute kam noch die Überraschung: Ein Schweizer Reiseradler! Heinz ist momentan noch alleine unterwegs, wartet hier aber auf seine Freundin. Zusammen radeln sie durch Kolumbien. Sie werden genau unsere Route fahren und wir die von ihm in umgekehrter Richtung. Da hatten wir uns natürlich eine Menge zu erzählen und wir staunten über seine tollen Fotos. Heinz ist seit 8 Monaten unterwegs und seine Reise neigt sich langsam dem Ende zu. War super mal mit einem "erfahreren" Radler zu quatschen. Luis konnte sich kaum noch erholen. "Puta Madre! Todos los suizos son locos!"
In Bogota kann man sehr viel unternehmen. Es soll mehr als 80 Museen geben und dann kann man noch mit einer Zahnradbahn auf einen ziemlich steilen Berg. Von dort hat man eine fantastische Sicht über ganz Bogota. Die Zahnradbahn selbst fand Milena (zumindest beim hochfahren) nicht ganz so lustig. Sie wurde schon etwas bleich… Aber als wir oben waren, brachten wir unsere Mäuler kaum mehr zu. Wir fragten uns beim Anblick dieser tausenden von Gebäuden ernsthaft, wie wir da nur rein geraten sind. Unsere gefahrene Strecke konnten wir nur erahnen…
“Unser Viertel”
Was man in Bogota auch auf keinen Fall verpassen darf ist das berühmte Goldmuseum. Unglaublich, wie früh da schon mit Gold rumgebastelt wurde. Satte dreimal ging der Feueralarm ab und jedes mal spielten wir mit dem Gedanken, die Scheiben schnell einzuschlagen…