Gut erholt fuhren wir weiter in Richtung El Banco dem Rio Magdalena entlang. Die Freude währte aber nicht sehr lange:
Die Erdstrasse wurde, dank des Regens in der Nacht von dem wir dummerweise nichts mitbekommen haben zur recht üblen Schlammpiste. Die Erdmasse klebte wie Lehm an unseren Rädern und selbst beim stossen rutschten wir immer wieder aus. Milena verknackste sich dabei den Fuss, dass dieser dick anschwoll und sie kaum noch drauftreten konnte. Zum Glück wurde es schnell 45° warm und somit trocknete die Piste wieder. So wurden wir zwar gründlich paniert von den vorbeifahrenden Fahrzeugen, konnten aber wunderbar fahren. Die Piste führte 74km weit dem Fluss entlang durch wunderschöne Landschaft mit sehr vielen Vögeln. Kurz vor El Banco stellten Kinder Strassensperren auf, welche man nur gegen “Wegzoll” passieren durfte. Zum Glück senkten sie bei uns aber immer die Schnüre, denn wir hatten leider alle unsere Süssigkeiten selber schon gegessen. In El Banco kauften wir dann extra Bonbons für die nächsten “Strassensperren”.
Wir überlegten uns schon vorher, ob wir die schöne Bootsfahrt nach Barrancabermeja auf dem Rio Magdalena, oder die Strecke über Bucaramanga per Rad machen sollen. Da wir ja in nächster Zeit noch genug Radeln werden, entschieden wir uns für das Boot.
Beim Verladen der Fahrräder auf das Boot, mussten wir schon wieder “Verhandlungen” führen, denn der abgemachte Preis war plötzlich um 30`000 Pesos (15 Dollar) gestiegen. Bei den Gringos kann man`s ja mal versuchen. Danach gings endlich los und wir bretterten mit 60Km/h zwischen dem vielen Treibholz den Fluss aufwärts. Ab und zu polterte es gewaltig am Bootsrumpf, wenn unser Capitain mal wieder einen Holztremmel übersehen hatte oder nicht mehr ausweichen konnte. Nur einmal wurde es ein bisschen brenzlig, als wir ein Boot mit Flusspiraten passierten. Die Jungen Männer (so zwischen 9 und 17 Jahren) in Kampfuniform und Maschinengewehr folgten uns aber zum Glück nicht sehr lange. Die Einheimischen in unserem Boot wurden auch ganz schön nervös und auch der sonst so coole Capitain schaute auch nach 10 Minuten immer noch wieder zurück ob sie uns wirklich nicht mehr folgten. Dann aber nach 7 langen Stunden kamen wir mit ein bisschen Sitzlederschmerzen in Barrancabermeja an. Am Nächten Morgen verfrachteten wir unsere Räder wieder in einen Bus (natürlich wieder um den Preis feilschen müssen) und fuhren ins 100Km entfernte Bucaramanga. Auch diese Entscheidung den Bus zu nehmen stellte sich als richtig heraus, denn nach diversen Erdrutschen war die Strasse in einem üblen Zustand. Da hätten wir mit unseren Rädern ganz schön zu kämpfen gehabt. Bucaramanga mit rund 700.000 Einwohner liegt auf 960müM und dort herrscht bereits ein wesentlich angenehmeres Klima. Von dort aus besuchten wir auch die sehr hübsche Kolonialstadt Giron.
In Bucaramanga machten wir auch den ersten Versuch, unsere gebrannten DVD’s mit Fotos und Videomaterial in die Schweiz zu schicken. Gar keine einfache Prozedur… Satte 17 Unterschriften und 2 Fingerabdrücke wurden von Milena verlangt, damit das kleine Päckli in den Flieger zu ihrer Mutter in die Schweiz durfte. Gekostet hat es soviel, wie 3 Übernachtungen in einem durchschnittlichen Hotel und wir verbrachten ganze 2h im Büro von Depris, der Luftpost der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca. Aber das Päckli kam tatsächlich nur 4 Tage später in der Schweiz an, also hat sich der ganze Aufwand wenigstens gelohnt!
Wir fuhren weiter in Richtung Pescadero über ein kleines Pässchen auf 1200 m. Pescadero ist ein Dörfchen, welches aus einem Polizeiposten und rund 20 Häusern besteht. Es liegt eingebettet zwischen den Bergen in einem Tal und liegt auf 550m. Die Abfahrt hinab in den Canyon de Chicamocha war wunderschön. Überall wuchsen grosse Kakteen und Bäume die mit Tillandsien behangen waren.
Abfahrt in den Canyon Chicamocha nach Pescadero
In Pescadero hat es leider kein Hotel. Wir fuhren trotzdem runter weil wir dachten, das hätte sich in der Zwischenzeit geändert. Unser Velo-Reiseführer ist von 2007 und schon ziemlich veraltet. Schon viel Neues haben wir entdeckt, was darin noch nicht beschrieben war. Und tatsächlich es gibt neuerdings ein Hotel in Pescadero, aber das war noch ziemlich im Rohbau. Plötzlich sahen wir einen kleinen Park am Strassenrand, der auf den ersten Blick als solcher gar nicht zu erkennen war. Am Eingang stand nur Restaurant aber bei der Einfahrt sahen wir zwei herrliche Naturpools mit Wasserfall. Das beste am ganzen war, dass wir unmittelbar vor einem der Pools zelten durften. Den ganzen Nachmittag planschten wir im eiskalten Wasser (willkommen in den Anden) und schlugen uns die Bäuche voll. Ein etwa vierjähriger Junge kam erhobenen Hauptes auf unser kleines Lager zu, ging mit einem prüfenden Blick einmal um unser Zelt herum und fragte Oli: “Aber hey, wo sind denn die Kinder?” Oli erklärte ihm, dass da nur wir zwei sind, die im Zelt schlafen. Ganz empört meinte der Kleine: “Das Zelt ist doch für Kinder…” und dann stiefelte er genauso selbstbewusst wieder davon, wie er kam. Ganz verwirrt schauten wir unser Zelt an. Was haben die uns denn da verkauft?!? Liebe Leute aus dem Tretlager Winterthur, wir werden nächstes Jahr noch miteinander reden… ;-)
Gegen Abend verliessen die Leute den Park nach und nach und auch das Restaurant wurde dunkel. Wir dachten einen Moment wir seien nun alleine, da sah Milena eine Gestalt neben sich stehen. Der Umriss eines Nachtwächters mit Maschinengewehr erschreckte sie so dermassen, dass sie den netten Mann beinahe anschrie. “Willkommen im sichersten Ort kolumbiens…ich bin euer Securitas und werde die ganze Nacht auf euch aufpassen”, sagte dieser mit einem breiten Grinsen. Der nette Mann in Uniform nahm seinen Job sehr ernst. Er sorgte sich sehr um unser Wohlbefinden und brachte uns zwei Stühle, zündete mit seiner Taschenlampe als wir kochten und wir diskutierten miteinander über das Erdbeben in Japan. Zwischendurch drehte er seine Runden und schaute nach dem Rechten. Er warnte uns vor unserer nächsten Bergetappe nach Aratoca. Das allerdings taten die Leute schon in Bucaramanga. “Todo arriba!” Jaja, das kennen wir ja…
Am nächsten Morgen starteten wir sehr früh, und überquerten den Fluss des Canyon de Chicamocha. Von da an ging es nur noch bergauf. Die ersten 3km kamen uns sehr lange vor aber die restlichen 24km ging es dann erstaunlich einfach voran. Der Fluss unten im Tal wurde immer kleiner und der Berg immer grösser. Die Aussicht war bombastisch. Man sah bis zum Horizont die riesigen Ausläufer der Ostkordillere der Anden und über dem Canyon kreisten grosse Geier ihre Runden. Irgendawann erreichten wir einen ganz neuen Freizeitpark, wo es ein tolles Freiluftrestaurant mit leckeren Empanadas mit Würstchen drin gab. Die Polizei erlaubte es uns, ohne Eintritt zu bezahlen in das Restaurant zu gehen. Vermutlich hatten sie etwas Mitleid mit uns… An Herzlichkeit mangelt es bei den Kolumbianern überhaupt nicht. Sie spornten uns die ganzen 27km regelrecht an, hupten, jubelten und johlten uns zu und reichten uns frische Orangen aus den Lastwagenfenstern. Wir wurden von allen Seiten fotografiert und zwei Jungs einer Gruppe der kolumbianischen Nachwuchsrennradler kehrten extra für ein Foto mit uns um und fuhren uns hinterher. Als wir aber die Waden der Rennradfahrer sahen wussten wir auch schnell, was da in den nächsten 10 Monaten noch so alles auf uns zukommt…
Am frühen Nachmittag erreichten wir das Dorf Aratoca auf 1800müM und stellten fest, dass das mit dem “27 kilometros todo arriba” mal wieder übertrieben war. Es ging nämlich auch noch 100m bergab…
Aratoca ist ein sehr unscheinbares Dörfchen, welches eigentlich keine herausragende Sehenswürdigkeiten hat. Dennoch hatten wir sehr viel Mühe mit dem Abschied nehmen. Schuld daran war das neue Hotel “Ara y Toca”, welches einfach wunderschön ist. Wir bekamen ein Bungalow mit eigener Küche für uns ganz alleine. Zwei grosse, schöne deutsche Schäferhunde passten auf uns auf und morgens gab es leckeres Aratoca-Brot mit Kaffee. Unser wohl schönstes Hotel bis jetzt und die Finca hat auch eine supernette Leitung.
Unser “Haus”
Gut erholt flitzten wir heute weiter bergauf. Aber nicht mehr so lange wie gestern. Auf knapp 2000müM gings erst hügelig, dann ziemlich rasant hinunter ins sehr sympathische San Gil auf 1100müM. Wir besuchten dann noch den Park El Gallineral, wo fast 2000 “chiminangos” (mit Tillandsia bewachsene “Puschelbäume”) stehen. War super.
Hier in San Gil gibt es zur Abwechslung unseres Standartessens (Fleisch, Reis, Yucca, Kochbanane, Salat) eine kleine, kulinarische Abwechslung. Die sogenannten “hormiga culona” (geröstete Riesenameisen) werden hier am Strassenrand verkauft und natürlich wurden wir da neugierig. Lecker sind sie aber nicht unbedingt, schmecken ein bisschen salzig und die Beine bleiben einem im Hals stecken, aber probiert haben muss man das schon…
oi oli und milena.. glaube zwüsche dure isch es au gut wämer mit em schif und äm bus fahrt....bi so schlechte strasse....kolombia isch landschaftlich au sehr schön.....oi bricht gfallt mer guet.... meinsch oli ich wär mit mine 60 jahre dem au no gwachse???? alles gueti uf dä wieder reis.. bin dänn nomal im fust gsi aber ohne dich isches nüme so guet guentifree
AntwortenLöschenSuper Bericht, immer wieder schön reinzuschauen.
AntwortenLöschenOli: Auch im Urwald darf man sich rasieren....
Milena sieht schon aus wie eine Einheimische!
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Tom