Machu Picchu liessen wir aus diversen Gründen weg. Zum einen gibt es Wartezeiten von bis zu einer Woche und zum Anderen ist momentan auf diesem Berg die Hölle los. Machu Picchu feiert nämlich 100-jähriges Jubiläum und wird täglich von über 3000 Touristen wortwörtlich niedergetrampelt. Neustens wurde sogar ein Kunstrasen gelegt, weil die Touristen in solchen Scharen kommen. Offenbar werden auch 3000 Tickets verkauft, aber lediglich 2500 Personen tatsächlich eingelassen. Für uns wäre dies ja kein Problem gewesen, denn wir hätten die Zeit dafür gehabt. Damit wären wir aber wieder beim Japaner, welcher nur drei Wochen Urlaub hat, sein Ticket womöglich schon Wochen im Voraus erhalten hat und dann am Eingang abgewiesen wird. Sowas ist gemein.
Wir lernten auf dem Camp-Ground von Ursula und Peter einen Schweizer kennen, der bereits elf mal auf dem Machu Picchu war. Er meinte, für ihn sei es eine kleine Challenge gewesen. “Man darf die Menschheit nicht so ernst nehmen. Auch sie geht irgendwann einmal vorbei”, meinte er gelassen. Einerseits kann die Atmosphäre, wie sie auf dem Machu Picchu vorzufinden ist auch von 10’000 Personen nicht zunichte gemacht werden. Andererseits waren wir Beide schon vor längerer Zeit auf Machu Picchu und wir entschieden uns dafür, dass wir ihn in guter Erinnerung behalten werden. Nur damit ihr euch nicht wundert, warum es keine Fotos vom absoluten “Highlite” Südamerikas gibt…
Wir wollten aber dennoch etwas spannendes unternehmen und anstatt Cusco’s Kirchen und Ruinen zu besichtigen, entschieden wir uns für eine sechstägige Expedition in den Amazonas. Der Wald lebt und ist spannend! Genau das wollten wir alle. Auch Ursula und Peter wollten dabei sein. Zusammen mit Uwe gingen wir zu einer Reiseagentur, welche Milena bereits kannte. Bonanza Tours ist ein kleiner Familienbetrieb, bestehend aus drei Brüdern und einer Schwester. Lourdes, die Jüngste schmeisst das Büro in Cusco. Ihre Brüder William, Ryse und Boriz sind die Guides. Die Eltern leben im Dschungel des riesigen Manu-Nationalparks, wo auch ihre Kinder aufgewachsen sind. Dieser Teil des Amazonas umfasst rund 2 Mio. ha und ist eines der grössten ursprünglichen Urwaldgebiete der Erde. Dass Milena nach sechs Jahren mit vier anderen Personen wieder in demselben Büro sass beeindruckte Lourdes und Boriz so sehr, dass wir auch noch einen super-Rabatt bekamen. Ganz ehrlich, für Machu Picchu mit allem drum und dran hätten wir nicht einmal so viel weniger bezahlt. Nur dauerte es nicht nur einen Tag, sondern sechs…
Am 4. August Morgens um 5.15 (und die Peruaner SIND pünktlich) klingelte es an der Tür und der Bus stand bereit. Mit uns kamen die beiden Guides Ryse und Moises (ein Freund der Familie), sowie eine Familie aus Nordengland mit vier erwachsenen Kindern. Wir holten Ursi und Peter ab und fuhren los. Erst ging es durch kleine Andendörfer nach Ninamarca. Dort besichtigten wir ein paar Chullpas, welche aus der Prä-Inka Zeit stammen. Später erreichten wir den Eingang für den Manu-Nationalpark auf 3560müM. Dort beginnt auch der fantastische Nebelwald. Je weiter hinunter man fährt, desto grüner und tropischer wird es. Kurz vor Pilcopata erreichten wir die Rain-Forrest Lodge, welche Bonanza Tours inzwischen neu erbaut hat. Dort übernachteten wir nach gut achtstündiger Fahrt.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Atalaya, welches am Fluss “Madre de Dios” liegt. Unterwegs machten wir bei einer kleinen Coca-Plantage halt. Dort konnten wir die Plantage besichtigen. Als wir zu dem Grundstück gingen, kam plötzlich etwas kleines, braunes und sehr schnelles auf uns zugeschossen und innert Sekunden hing das Ding an Oli’s Bein und knabberte an ihm rum. Das kleine Monster stellte sich dann als Nasenbär heraus und der hatte es ziemlich in sich. Keine Sekunde liess er uns in Ruhe. Er wollte permanent im Mittelpunkt stehen. Er turnte auf uns herum, biss mit seinen spitzigen Zähnen in unsere Hände und sprang uns ständig an. Am liebsten hätte wir den süssen Kerl gleich mitgenommen…
Wehe aber der rote Ara kam. Mit dem Riesenpapagei legte sich der kleine Waschbär nämlich nur sehr ungern an. Der Vogel zeigte ihm ziemlich unmissverständlich, dass er der Chef im Hause ist. Ein ziemlich amüsantes Schauspiel Papagei vs. Nasenbär…
Mit dem roten Ara war grundsätzlich nicht so gut Kirschen essen. Viel netter war da schon der blaue Ara. Der hatte offenbar Freude an uns und turnte auch etwas auf uns herum. Im Gegensatz zum Nasenbär war er aber wesentlich ein angenehmerer Zeitgenosse. Ausser dass er anfangs Milena’s blonde Haare anknabberte, sass er ganz ruhig auf unseren Schultern. Diese Tiere sind einfach wunderschön. Für Milena die wohl Schönsten überhaupt.
Junger Reiher
In Atalaya stiegen wir dann um in ein Boot, welches uns in einer gut sechsstündigen Fahrt zur Bonanza-Lodge brachte. Unterwegs hielten wir noch bei heissen Quellen, wo wir etwas baden konnten.
Rio Madre de Dios
Auch die Bonanza-Lodge ist recht neu. Musste man von sechs Jahren noch zum 200m entfernten Plumpsklo und das Zelt auf einer kleinen Holzplattform aufstellen, gibt es heute Wc’s, Duschen und Bungalows mit sehr bequemen Betten. Ein wunderschöner Ort! Wir unternahmen eine kleine Nachttour, wo wir Fledermäuse, Taranteln, Frösche und die grösste Spinne des Amazonas, die gruslige Skorpionspinne fanden. Auch wenn wir keine Tiere gesehen hätten, so eine Nachttour ist der absolute Wahnsinn alleine wegen der Geräuschkulisse. Kaum geht die Sonne unter, geht das fantastische Konzert los. So etwas muss man erlebt haben. Das kann man nicht mit Worten beschreiben!
Ulkiges Viech…
Affen
Am nächsten Morgen gings dann los in die grüne Hölle. Wir teilten uns in zwei Gruppen auf, da die Engländer kein Spanisch konnten. Wir fünf wollten aber lieber eine Tour auf Spanisch da wir nicht hier sind um Englisch, sondern Spanisch zu lernen. Somit bekamen wir Moises als Guide, denn er kann noch nicht ganz so fliessend Englisch wie Ryse. Sieben Stunden Fussmarsch mir ungeahnten Hindernissen, Sümpfe, umgefallene Riesenbäume, Brücken aus Baumstämmen und und und… Ständig kam was Neues dazu und manchmal musste Moises mit der Machete ein ganz neuer Weg durch das Dickicht schlagen, weil der alte Weg einfach nicht mehr passierbar war. Irgendwann kamen wir jedenfalls zu einer kleinen Lichtung an einem Fluss, wo wir uns etwas abkühlen durften. Dort angelten wir Fische, welche es dann auch zum Essen gab. Das Angeln hier ist gar nicht so schwierig und fast jeder zog mindestens einen Fisch heraus. Ryse und Moises sogar bei jedem Versuch! Wir machten ein Feuer und Moises fing noch einen jungen Caiman. Ein sehr hübsches Tier!
Juane, typisches Essen
Am nächsten Morgen wanderten wir fünf Stunden zu einem Hochturm, von dem aus man mit etwas Glück Tapire beobachten kann. Langsam begannen uns die Füsse zu schmerzen. Wir bekamen Gummistiefel, welche leider alle etwas zu gross ausfielen. Einziger Minuspunkt des ganzen Trips war die Tatsache, dass wir diese Stiefel nicht im Büro in Cusco probieren durften. Für rund 20h wandern wäre dies schon von Vorteil gewesen und unsere einzige Kritik wurde dankbar entgegengenommen. Auf dem Hochturm übernachteten wir dicht nebeneinender und jeder musste eine Stunde Nachtwache schieben. Wir durften nicht rauchen, mussten auf die andere Seite des Flusses pinkeln gehen, Nachts duften wir gar nicht mehr pinkeln gehen und wir mussten leise sein. Tapire riechen alles, was unterhalb von zwei Metern ist. Deshalb auch der Hochturm. Komisch fand Milena nur, dass wir die Stiefel unten liessen. “Riecht denn dieser Tapir unsere Stinkefüsse nicht?” Moises lachte nur… Es wurde dunkel. Gespannt schauten wir im Mondschein auf die kleine Lagune (dort gibt es mineralhaltigen Lehm, darum kommen die Tapire überhaupt hierher) und suchten nach dem Tier. Nach einer Stunde mussten wir die Person nebenan wecken und diese musste dann die nächste Stunde Wache halten. Wäre er gekommen, hätte man alle anderen auch leise geweckt und wir hätten den Tapir gut 5-8min lang ungestört beobachten können. Wenn so ein Tapir nämlich am fressen ist, stört ihn gar nichts mehr. Natürlich kam er aber diese Nacht nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass wir Regeln gebrochen haben. Wer kann schon nach so viel Wasser trinken bei einem Fussmarsch bei 38° danach mehr als 12h lang das pinkeln verklemmen? Noch viel weniger will man Nachts im Urwald alleine einen Kilometer weit wandern, um auf der anderen Flussseite zu pinkeln. Dabei hätten wir Trampeltiere den Tapir wohl eh schon Kilometer weit vertrieben. Dennoch war diese Nacht für uns eine der Schönsten. Das Schlafen auf dem Turm war super und die Geräuschkulisse versetzte uns in einen wunderbaren Tiefschlaf. Die Lagune im Mondschein sah toll aus und bei jedem Geräusch waren wir ganz bei Sinnen und suchte den Wald nach dem begehrten Tapir ab. Das war einfach toll!
Es ging uns nicht darum, möglichst viele Tiere zu sehen. Im Amazonas sieht man nur ganz selten Tiere, da es schlicht und einfach zu viele Bäume hat. Aber der dichte Wald ist einzigartig und es riecht alle 100m wieder anders. Mal süsslich und mal säuerlich. Und die Vögel, Frösche, Affen, Grillen und was da alles so lebt tönen immer wieder anders. Man kann denselben Weg zurück gehen und man meint immer, es sei ein ganz neuer Weg. Wir hätten den Weg zurück zur Lodge ohne Moises niemals gefunden. Nichts gleicht dem Anderen und wenn man sich umdreht sieht alles anders aus als vorhin. Der Kampf um die Sonne kann man an den Bäumen richtig sehen. Lianen schlingen sich um die 30m hohen Urwaldriesen und erwürgen diese regelrecht. Jahre später stirbt der Baum ab und nur der Würger steht in der Form des Baumes noch da. Bei einer Palmenart war gar die Mitte des Baumstammes dicker. Die Funktion dessen war, dass beim herunterfallen der Samenfrüchte diese dort abprallten und sich somit weiter vom Mutterbaum verteilen. Unglaublich was die Natur hier geschaffen hat…!
Fikus-Würger umschlingt Ceiba
Urwaldriese!!!
Warum der “Arbol erotica” heisst???
Ryse, der selber hier aufgewachsen ist meinte: “Das Leben hier im Dschungel ist total easy. Der Wald gibt alles her. Warmes Wasser (heisse Quellen), kaltes Wasser, frisches Wasser (aus Bambus und Lianen), Holz zum bauen, Essen und natürliche Heilmittel.” Das Bambuswasser faszinierte uns unglaublich. Peter hatte eine Flasche mit Literanzeige dabei. Pro Abschnitt bei einer Stange Bambus kriegt man gut 1,5dl Wasser. Moises füllte Peters Wasserflasche gar mit Bambuswasser auf!
Nach der Nacht auf dem Turm wanderten wir 1,5h zurück zur Lodge. Dort gab es ein leckeres Frühstück und wir fuhren wieder 5h Flussaufwärts. Wegen des Klimawandels ging das Wasser im Fluss in den letzten Jahren massiv zurück und wir mussten das Boot mehrmals über Stromschnellen schieben. Unterwegs fantasierten wir zusammen mit Uwe an unserem nächsten Plan: Eine Dschungelreise per Boot. Wir wollen irgendwann einmal ein Boot zusammen kaufen, dies mit Küche und Hängematten ausrüsten und dann einfach wild durch das riesige Flusssystem schippern. Einen Einheimischen, der sich mit den Pflanzen und Tieren auskennt wollen wir dann aber auch mitnehmen. Da kam uns der “Junge für alles” auf unserer Tour als Erster in den Sinn. Carlito war unser Held auf dieser Tour. Er trug unser Essen, steuerte das Boot sicher über die vielen Stromschnellen, stellte Zelte auf und vieles mehr. Er gehört zu einem Stamm, welcher im geschlossenen Teil des Manu-Nationalparks lebt. Dieser (der grösste Teil des Parkes) ist nur mit Bewilligung und nur für Biologen betretbar. Dort lebt Carlito und keiner kennt den Wald so gut wie er. Er arbeitet bei Bonanza-Tours und in der Regenzeit verschwindet er für vier Monate zurück in den tiefen Urwald zu seiner Familie. Im April, also am Ende der Regenzeit kommt er wieder und arbeitet voller Elan. Auffallend war, dass er immer (und zwar wirklich immer) lachte und total fröhlich war. Wenn er einen richtigen Lachkrampf bekam, kreischte er schon fast wie ein Papagei. Ein super Kerl! Er wäre perfekt für unsere Tour, aber wir glauben Bonanza-Tours hätte da was einzuwenden…
Carlito
Bei einem hübschen Plätzchen stoppten wir und gingen zu einem kleinen See. Dort konnten wir per Flooss diverse Vögel beobachten. Einige machten ziemlich komische Geräusche. So wie wenn jemand extrem laut atmen würde. Diese Flussfahrt war super schön!
Wieder zelteten wir am Fluss. Der Platz war traumhaft schön und wir genossen einen kitschigen Sonnenuntergang.
Am letzten Tag fuhren wir zu den Felswänden, wo sich Morgens riesige Schwärme von Papageien zum Frühstück versammeln. Die Rote Erde an den Wänden hilft Ihnen, die Toxine die sie mit der Nahrung aufnehmen besser abzubauen. Das Ritual ist sensationell: Erst fliegen sie zu hunderten umher. Von Baum zu Baum. Irgendwann lassen sich alle an einer der vielen Wände nieder und fressen. Kein Papagei benutzt eine andere Wand, alle zusammen hangen sich an dieselbe. Leider stieg die Party an diesem Morgen an der Wand, die am weitesten von uns entfernt war. Somit gibt es leider keine spektakulären Fotos von den Papageien. Per Fernrohr konnten wir sie beobachten.
Dann ging es leider in einer 10-stündigen Fahrt wieder zurück nach Cusco. Abgase, Verkehrslärm und Höhe setzten uns gleich etwas zu. Als wir unser Gepäck aus dem Raum im Hostal holten, traf uns fast der Schlag. Sieben weitere Räder standen neben unseren. Somit sind wir nun satte neun Reiseradler hier! Ach hier sind die alle…! Nach einer üblen Pizza kauften wir uns eine Flasche Rum und feierten unsere geglückte Dschungeltour. Uwe verkleidete sich noch als Gaucho und sorgte für einige Lacher… Nachts konnten wir nicht schlafen, weil wir die Geräuschkulisse so vermissten. Zum Glück hatte aber Milena ihr Diktiergerät dabei und Oli nahm in der einen Nacht auf dem Turm die Geräusche auf. So konnten wir in Cusco zum einschlafen noch etwas Dschungelkonzert hören…
Gaucho…?
Bei einer ausgiebigen Dusche entfernten wir die eine oder andere Zecke und stellten erfreut fest, dass wir erstaunlich wenige Mückenstiche haben. Auch Wunden oder andere Verletzungen gab es keine. Ausser bei Milena bohrte sich ein grosser Stachel in die Handfläche, als Peter ihr einmal einen Ast zum halten zuwarf. Aber das ist nur was ganz Kleines…
Uwe machte sich dann auf den Weg zum Machu Picchu und wir machten uns an die Arbeit bei Milena’s Krücken-Rad. Unser Sorgenkind sollte eine neue Felge bekommen, welche wir vor der Tour bestellt hatten. Als wir am Nachmittag das neue Ding abholten und einbauen wollten, stellten wir entsetzt fest, dass die nette Dame uns eine Felge für Scheibenbremsen bestellt hatte. Nun müssen sie alles nochmals einspeichen, aber das geht natürlich erst mañana…..