Frühmorgens standen wir mit unseren Fahrrädern vor einer Tankstelle in Uyuni. “Welche Strasse führt nach Colchani?” “Diese da!” “Welche, DIE da?” “Nein DIE da!” Der nette Mann stand daraufhin zwischen die Fahrspuren im Sand und meinte: “DIESE hier. Alles hier entlang, dann kommt ihr nach Colchani…” Du meine Güte, hier muss man aber sehr erfinderisch sein um aus diesen Wirrwarr-Spuren eine Strasse zu erkennen.
Bolivien ist wohl eines der reichsten Ländern überhaupt. Zumindest an Bodenschätzen. 75% des gesamten Lithium-Vorkommens weltweit liegt noch völlig unausgebeutet auf dem Salar de Uyuni. Trotzdem existieren hier fast keine Teerstrassen. Die Regierung in der Vergangenheit hatte wohl besseres vor mit dem Geld des Landes…
Mit sehr viel Phantasie fanden wir dann die “Strasse” nach Colchani. Mit müssen wohl nicht erwähnen, dass dies eine der übelsten Rumpelpisten überhaupt war. Wellblech und Sand. Genau das liebt der Radfahrer… So ganz nebenbei ist das keine einsame Nebenstrasse, sondern die Hauptverkehrsstrasse nach La Paz! Zum guten Glück fahren wir hier in Bolivien nur wenig Fahrrad…!
Nachdem wir 25km weit kräftig durchgeschüttelt wurden, wurde plötzlich alles weiss… “Ach du sch… ich rutsche!” “Nein, du kannst nicht rutschen, das ist kein Schnee…” Wie auf Eier fuhren wir durch das sulzige Weiss der ersten paar Meter auf dem Salar de Uyuni, dem grössten Salzsee der Erde. Entschuldigung, wir sind nun mal Schweizer und wenn wir einen weissen Untergrund haben, ist das für uns nun mal Schnee! Erst nachdem wir aus der Salzgewinnungsanlage fuhren wurde der Untergrund hart und fest und wir getrauten uns Kurven zu fahren und zu Bremsen.
Der Salar de Uyuni ist einer der faszinierensten und surrealsten Orte der Erde. Die riesige Salzpfanne ist etwa 160km lang und 135km breit und die Salzkruste ist zwischen 2 und 7m dick. Ein Ort, an dem man sich durchaus nett verfahren kann. Umso ärgerlicher, dass in unserem Bike-Buch eine Zahl der Koordinate des wichtigsten Orientierungspunktes im Salar ganz einfach fehlte. Waren alle anderen Fehler in diesem Buch verhältnismässig lustig, könnte dies verheerende Folgen haben. Hier sind nämlich Schneestürme nicht so selten und wenn man die Berge nicht mehr sieht, kann man Kilometerweit im Kreis fahren. So erging es einst zwei französischen Radlern hier oben und die sind dann Nachts erfroren. Ist also nicht ganz so nett von den Autoren, uns mit falschen Koordinaten da raus zu schicken…!
Da wir uns aber zum Glück schon lange nicht mehr auf dieses Buch verlassen, haben wir uns in Uyuni noch eine Karte besorgt und einen Kompass besitzen wir bereits. Das Hotel “Playa Blanca” liegt gut 10km nordwestlich von Colchani und dank des momentan schönen Wetters sahen wir das auch schon von Weitem. Dieses Hotel ist heute mehr ein Museum, denn es ist vollständig aus Salz gebaut. Die Tische, Stühle, Betten, alles ist aus Salz. Da wir üblen Gegenwind hatten beschlossen wir dann, dass wir so nicht in die Wüste hinaus fahren. Wir wollten eigentlich an einem Tag zur Insel “Incahuasi”, welche 65km weiter nordwestlich des Hotels liegt fahren, doch mit diesem Gegenwind wäre dies unmöglich gewesen. Mitten auf dem Salar zelten kann man zwar durchaus, aber nachts brettern Jeeps (momentan ist Hauptsaison) und Lastwagen quer da rüber. Zudem fanden wir den windgeschützten Ort etwas netter als der offene, windgepeitschte Salar. Auch war das Salzhotel wohl einer der nettesten Orte überhaupt.
Wie schon erwähnt, dient das Hotel heute mehr als Orientierung. Alle Touristenjeeps halten hier an, um das Mittagessen für die Touristen zu kochen und zu pinkeln. Als wir mit unseren Fahrrädern mit 10km/h im Gegenwind daher gekrochen kamen, erstarrten erst einmal alle. Wir kamen uns dabei schon etwas blöd vor. Für uns ist Radfahren mittlerweile das Normalste der Welt, doch die Leute fragten uns im vollen Ernst: “Fahrt ihr da drüber??? Mit dem Fahrrad???” “Natürlich, das ist ja auch ein riesen Spass…!” Wenn wir ihnen aber sagten, dass wir in Costa Rica gestartet sind und nun schon acht Monate lang Fahrrad fahren, fielen sie aus allen Wolken. Für andere Reisende ist das unvorstellbar, dass man 6000km tatsächlich per Fahrrad zurücklegen kann. Eigentlich kann aber jeder Fahrrad fahren und an alles Andere kann man sich ja gewöhnen. So was Schwieriges ist es also auch nicht. Irgendwann fing dann einer an, uns zu fotografieren. Dies löste offenbar eine Kettenreaktion aus und jeder Andere musste auch ein Foto von uns haben. Ein Neuseeländer hatte besonders Freude an uns. Der filmte und interviewte uns sogar. Wir überlegten uns dann, ob wir pro Foto nicht einen Boliviano verlangen sollen. Grundsätzlich hätten wir nämlich gerne ein Zimmer aus Salz genommen, aber mit 200 Bolivianos (20$) lag das viel zu weit über unserem Tagesbudget. Wir liessen uns dann aber doch weiterhin geduldig und kostenlos fotografieren und als alle weg waren, stellten wir unser Zelt auf. Alleine waren wir aber nicht, denn ein Japaner übernachtete in einem der Salzzimmer. Leider konnte er aber weder Englisch, noch Spanisch. So verständigten wir uns mit Händen, Füssen und Kindergartenenglisch. Ein sehr lustiger Kerl. Er hatte diverse Plüschtiere und ein aufblasbarer Elch mit dabei, welche er beim Abendessen in Reih und Glied auf dem Tisch platzierte. Natürlich mussten wir ihn fragen, wie viele Tage Urlaub ein Japaner im Jahr hat. Er hat Glück, der er bekommt 11 Tage im Jahr. Seine Freunde aber gerade mal 3-5 Tage. Wenn das wirklich stimmt, dann verstehen wir langsam auch warum der motorradfahrende Japaner (Joshi, bzw. Ché), den wir damals in Quito kennengelernt haben, in Japan eine Revolution starten möchte. Der hat übrigens mittlerweile ein Antwort auf den Brief, welcher er Fidel Castro schrieb, erhalten und er wurde in La Paz auf die kubanische Botschaft eingeladen. Wer weiss, vielleicht hören wir demnächst mal etwas von Joshi…
Da wir den ganzen Nachmittag “frei” hatten, kamen wir natürlich auch auf etwas dumme Ideen, wie die nachstehenden Fotos zeigen. Wir hatten einen riesen Spass und lachten uns dabei fast kaputt!
Die Dame, welche das Hotel und den dazugehörigen Kiosk unterhält, war uns anfangs etwas unsympathisch. Kaum waren wir aber alleine, wurde sie total zuvorkommend und wir bekamen dann ein Salzzimmer zum kochen. “Da draussen ist es viel zu kalt zum kochen, kommt rein!” Ein kleiner Sturm fegte schon, doch windgeschützt war die Kälte noch einigermassen erträglich. Die Nacht allerdings wurde wirklich bitterkalt. Wir schliefen zwar herrlich, doch die Wasserflasche, welche zwischen unseren beiden Schlafsäcken lag, war am Morgen tatsächlich gefroren. Die Kaffeetassen konnten wir nicht abwaschen, denn kaum leerten wir etwas Wasser hinein, erstarrte dies gleich zu Eis. Das Thermometer muss also einiges unter den Gefrierpunkt gefallen sein. Wie viel wussten wir allerdings nicht. Kurz vor Sonnenaufgang standen wir zusammen mit dem Japaner, der sogar im Schlafsack draussen stand schlotternd da und warteten ungeduldig auf die wärmende Sonne. Dann endlich kam sie und wir konnten uns etwas aufwärmen.
Der Gegenwind war noch immer da, nur ist er normalerweise morgens noch nicht ganz so stark wie am Nachmittag. Der Salar ist zwar ziemlich toll per Fahrrad, aber man braucht durchaus auch starke Nerven. Nicht nur wegen dem Gegenwind, sondern auch weil die Piste meistens Wellblech ist. Wenn nicht, dann hat man entweder holperige “Sechsecken” auf der Oberfläche, sulzartiges (feuchtes) Salz welches einem das Vorderrad wegreisst und wenn endlich mal ein richtig toller, glatter Abschnitt kommt, dann hat es die gefürchteten “Ojos”. Aber wenigstens kann man auf dem breiten Salar selber wählen, was man möchte. Die liebevoll genannten Ojos (Augen) lösten bei Milena einige laute Schreie aus. Das sieht nämlich so aus wie eingebrochenes Eis. Die schweizerische “Schnee- und Eisvorstellung” ist halt einfach da! Ojos werden von unterirdischen Flussläufen verursacht und sind für Radfahrer grundsätzlich ungefährlich. Es sei denn man schafft es, dass einem das Vorderrad in solch einem Loch stecken bleibt. Das passierte uns zum Glück nicht. Einbrechgefahr besteht nicht einmal für die Jeeps, sondern nur für den Schwerverkehr. Genaugenommen für die mit Salz beladenen Lastwagen und für die grossen Busse. Trotzdem sehen diese Ojos gemeingefährlich aus und Milena schrie jedes mal wenn sie mal wieder zu nahe an einem dieser Augen vorbei fuhr.
Kurz vor der Isla Incahuasi erreichte dann die Rumpelpiste ihren Höhepunkt. Sechsecken mit tiefen Einbuchtungen sorgten dafür, dass wir noch kräftig durchgeschüttelt wurden bevor wir unser Ziel erreichten. Rund ein dutzend Jeeps standen vor der Insel als wir daher gehumpelt kamen. Wieder fragten wir, ob wir zelten dürfen. Natürlich kein Problem. Erst aber besichtigten wir die Insel mit den hunderten von riesengrossen Kakteen. Einige sind über tausend Jahre alt und rund 12m hoch. Der Wahnsinn! Die Insel war einst ein grosses Korallenriff und wenn man da rumspaziert kommt es einem wirklich so vor, wie wenn man unter Wasser gehen würde. Ein unglaublicher Ort!
Noch viel surrealer kam uns die Gegend bei Sonnenuntergang vor. Das ist absolut der schönste Sonnenuntergang, den wir je gesehen hatten. Da kamen Farben wie Orange, Pink, Rot und Gelb zum Vorschein. Und zusammen mit den Kakteen und dem (fast) Vollmond sah alles eher nach einem kitschigen Gemälde aus, als nach der Realität.
Am nächsten Morgen stand Oli etwas früher auf, um den Sonnenaufgang zu fotografieren. Als Milena mit den ersten Sonnenstrahlen ebenfalls aus dem Zelt gekrochen kam, standen rund ein dutzend ungläubig dreinschauende Touristen um das Zelt: “Habt ihr etwa HIER geschlafen??? Ist das nicht zu kalt???” Du meine Güte, nicht schon morgens um halb sieben… Zum Glück schrie dann aber ihr Guide “Frühstück!” und sie verschwanden wieder.
Nach einer Suppe zum Frühstück schrieben wir noch etwas in das Gästebuch von Alfredo. Alfredo war der erste Mensch, der mitten auf dem Salar sein Haus baute und hier wohnt. An Zweiradfahrer aller Art hat er eine wahnsinns Freude und jeder muss etwas in sein Gästebuch schreiben. Fast allen erging es gleich wie uns und die Räder rollten auf dem Salz nicht ganz so locker wie angenommen. Danach fuhren wir die gesamte Strecke wieder zurück zum Salzhotel. Dort angekommen fragten wir nochmals, ob wir zelten dürfen. Die Dame musste sich das Lachen schon etwas verkneifen. “Klar doch, kein Problem…” Diesmal bekamen wir auch einen Rabatt auf die Toilettenbenutzung, da wir ja schon Stammgäste waren. Nachts machten wir noch ein paar Fotos mit der Taschenlampe. Oli fuchtelte wohl etwas zu wild herum, denn die Besitzer des Hotels schauten ganz verwirrt aus dem Fenster. Ob es nach einem Hilfeschrei ausgesehen hatte?
Die letzten 35km Rumpelpiste nach Uyuni zerrte nochmals etwas an den Nerven. Vor allem, weil die Touristenjeeps um halb elf in Uyuni starteten und uns dann jeder einzeln schön kräftig einsandete. In Uyuni gingen wir dann als erstes dick essen. Nun werden auch wir eine viertägige Jeep-Tour buchen, weil wir unbedingt noch die hübschen Lagunen sehen möchten. Es folgt also noch ein Salar de Uyuni, Teil 2!
salar ist einfach unglaublich und ihr beiden wahnsinnigen velo fahrer steht dem um nichts nach!!!
AntwortenLöschenliebe grüße aus hong kong
sylvia und christian