Wir verbrachten den Tag mit Florian und Simon aus Frankreich, die ebenfalls per Fahrrad unterwegs sind. Sie machen eine “Weltreise”; eigentlich fahren sie nach Peru und dann nach Neuseeland. Natürlich konnten sie weder Spanisch noch Englisch, aber unser Französisch lässt ja auch etwas zu wünschen übrig. Auch auf dem Campingplatz war ein anderer Franzose mit seinem als Wohnmobil umfunktionierten Pick-Up, mit dem er seit 14 Jahren (!) in der Welt herum reist. Für ihn ist das Reisen sein Leben und sein Toyota ist seine Frau. “Die plappert nichts, sie macht nur am Morgen jeweils brummmmm…”, so seine sehr bemerkenswerte Äusserung zum Thema Frauen. Dabei schweifte sein Blick natürlich zu Milena… Der lustige Mann war sehr überrascht, dass wir zusammen ein Jahr lang per Fahrrad herum reisen können, ohne uns denn Kopf einzuschlagen. Naja, zugegeben kam es schon ein paar mal zu Differenzen, aber es wäre ja komisch wenn nicht…
Am Abend um 21.30 fuhr unser Bus los. Die grosse Überraschung war, dass wir dieses mal keinen Cent für die Fahrräder bezahlen mussten. Das erlebten wir nur einmal in Kolumbien und jetzt zum zweiten Mal in Brasilien. Eigentlich währe das schon gerechtfertigt, denn es ist ja Sperrgut, aber die von der Busgesellschaft wollten kein Geld. Super Sache!
Nach zwei Stunden Fahrt passierten wir einen Militärkontrollposten und unser Handgepäck wurde durchsucht. Freundlicherweise wurden mal nicht wir verdächtigt, sondern vier andere junge Männer aus dem Bus. Diese mussten aussteigen und sie wurden durchsucht. Der letzte kam laut lachend wieder in den Bus, stand vor uns hin, erzählte uns eine offenbar sehr lustige Geschichte auf Portugiesisch und rieb sich dabei mit dem Zeigefinger auf dem Arm herum. Wir verstanden kein Wort, mussten aber dennoch lachen weil er sich kaum noch halten konnte. Dann rief unser Buschauffeur: “Die zwei Radfahrer! Sofort aussteigen!” Ohoh… Was war jetzt los! Draussen fanden wir vier Militärs versammelt um Milenas rote Packtasche, worin sie die Küchenausrüstung transportiert. In der Hand hielten sie zwei PET-Fläschchen von Fanta und Mineralwasser, gefüllt mit sehr verdächtigem weissem Pulver! “Was ist das?” “Salz!” “Und das?” “Zucker”. Erst dann wagte der Beamte eine Kostprobe und daraufhin mussten auch wir laut lachen. Sie haben unser Salz einfach in der Hand verrieben und das fühlte sich offenbar sehr verdächtig an. Danach wussten wir, was uns der Mann im Bus erzählte… Jedenfalls war die Idee mit den Flaschen war wohl doch nicht so eine Gute…
Morgens um sechs kamen wir in Curitiba an. Zum guten Glück war das endlich unsere letzte Busfahrt! Die 1,6 Mio. Einwohner Stadt ist (leider) ein Ausnahmefall. Die “Stadt der Ökologen und Zukunftsdenker” bekam 1997 von der UNO den 1. Preis für Stadt- und Lebensqualität. Die Stadt machte auf uns einen sehr ruhigen und angenehmen Eindruck. Das Klima auf den 900müM war sehr angenehm und der Verkehr schön ordentlich geregelt. Wir glauben gerne, dass die Lebensqualität hier sehr gut ist. Es sei denn, man stolpert über die uneben angelegten Kopfsteinpflaster und bricht sich was. Aber immerhin sind keine 3m tiefen Löcher mehr auf dem Gehsteig wie in Ecuador und Peru…
In Curitiba hatten wir einiges zu erledigen. Karte von Brasilien, Reiseführer von Brasilien und Karte von Rio de Janeiro standen auf unserer Einkaufsliste. Das fanden wir alles in Einem. In dem “Guia Quatro Rodas Brasil” (einem Telefonbuchartigen Wälzer) findet man so ziemlich alles. Zeltplätze, Hotels und vor allem genaue Strassenkarten und Stadtpläne. Dieser Klassiker kostet verhältnismässig sehr wenig und wird jedes Jahr neu heraus gebracht, natürlich auf Portugiesisch. Geschrieben ist diese Sprache sehr ähnlich wie Spanisch, nur wenn jemand mit uns redet verstehen wir wegen der Aussprache praktisch nichts. Lesen können wir aber durchaus auf Portugiesisch. Zudem wollten wir noch ein Wörterbuch auf Portugiesisch, damit wir das Nötigste lernen können. Das fanden wir auch, allerdings für Brasilianer, die Deutsch lernen möchten. So steht leider nur die sehr amüsante Aussprache von Deutsch drin. Aber das reicht schon. Wir versuchten unsere Spanischkenntnisse etwas abzuändern in der Hoffnung, die Leute verstehen uns dann besser. So ersetzten wir beispielsweise die Endung o einfach auf ao und reden etwas mit sch und oao… nützt leider nichts, sie schauen und höchstens komisch an und fragen ob wir Argentinier sind…
Am Morgen des 11.11.11 regnete es, als wir uns endlich wieder auf unsere Räder schwangen. Die fast acht Wochen Abstinenz spürten wir kaum. Wir waren so froh dass wir wieder radeln können und flogen schon fast über die Hügel. Diese wurden dann aber bald zu kleinen Bergen und dank der Regenklamotten kamen wir kräftig ins Schwitzen. Wir fuhren los auf der BR-116 in Richtung Saõ Paulo. Das ist eine Autobahn und wenn wir Glück hatten, verlief diese nur zweispurig. Dann hat es nämlich einen Pannenstreifen und der gehört ganz alleine uns. Leider wird die Strasse aber des Öfteren dreispurig und die Trucks donnern dann unmittelbar neben uns vorbei. Es ist eine Autobahn wie bei uns in der Schweiz oder besser als Vergleich ist eine im Tempo unlimitierte, deutsche Autobahn. An die Geschwindigkeitsbegrenzung hält sich nämlich niemand. Trotz allem kein Problem, denn die Trucks wechseln immer die Fahrbahn wenn sie uns sehen. Schlimm an der Strecke ist nur, dass sie Curitiba mit Saõ Paulo, mit 16 Mio. (!) Einwohnern die grösste Stadt Brasiliens verbindet und die Truckfahrer hier völlig übermüdet zum “Endspurt” anlegen. So beobachteten wir einige sehr gefährliche Manöver und ein Mann in einem PKW verfiel offenbar dem Sekundenschlaf und um ein Haar knallte es. Nach 80 geradelten Kilometern durch teilweise dichten Dschungel und ständig mit dem nächsten Truckfahrer im Nacken konnten wir es kaum geniessen. Zudem wurde es völlig neblig und wir wurden vom Regen regelrecht aufgeweicht. Da kam uns einer der Langstreckenfahrer gerade recht. Er hupte und hielt bei der nächsten Raststätte an. Er hatte erbarmen und wollte uns in die nächste Stadt mitnehmen. So kamen wir urplötzlich ins 100km entfernte Jacupiranga. Er hätte uns auch weiter mitgenommen, aber wir wollen jetzt wirklich noch drei Wochen lang radeln. Nun zweigt nämlich bald eine ruhige, paradiesische, heisse und (Berichten zufolge) brutal bergige Seitenstrasse zur Atlantikküste ab.
In Jacupiranga fanden wir dann ein günstiges Hotel nähe der Strasse. Somit bekamen wir am 11.11.11 Zimmer Nummer 11…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen