Die Strecke nach Hobo war sehr langweilig und wir wurden mal wieder kräftig verregnet. Dort wollten wir uns eine Bleibe suchen, aber das einzige Hotel im Zentrum ist momentan im Umbau. So fuhren wir wieder zurück zum Dorfeingang, wo es eine Unterkunft für Truckfahrer gibt. Diese sind meistens mit 3.- pro Person auch sehr günstig.
Hobo ist ein kleines Städtchen, wo nicht gerade viel los ist. Im Dorfzentrum pfiffen alle Leute ganz euphorisch (gut, das tun sie fast immer beim Anblick von uns und unseren Rädern) und riefen “Halt!”. Wir dachten erst wir hätten etwas verloren und kehrten um, da kam eine kleine zierliche Dame auf uns zugerannt. Auf Französisch labberte sie uns regelrecht voll (zum Glück versteht Oli etwas Französisch) und erst später kapierten wir. Auch sie ist mit dem Fahrrad hier! Francoise, wir nennen sie “Abuela” (Grossmutter) kommt aus Frankreich, ist satte 62 Jahre alt und radelt alleine von Venezuela nach Argentinien. Da staunten wir nicht schlecht! Diese Reise ist ein Traum, welchen sie sich nun erfüllt. Wir redeten keine 5 Minuten zusammen da kam auch noch Diego um die Ecke geradelt. Diego ist Kolumbianer und radelt ebenfalls vollbepackt durch Kolumbien. Abuela drehte fast durch, denn sie traf noch keinen einzigen “Gleichgesinnten”. Das war natürlich auch für die Bewohner Hobo’s eine Sensation und das ganze Dorf versammelte sich um uns. In diesem unscheinbaren Dorf verirrt sich so selten ein Tourist und jetzt gleich vier auf einmal. Da wurden wir natürlich regelrecht mit Fragen bombardiert.
Aber sehr faszinierend ist natürlich Abuela. In ihrem Alter (und ihre rechte Hand ist auch noch kaputt) sowas zu unternehmen ist einfach unglaublich.
Abuela und Diego starteten ihre Etappe rund 35km nach uns und dementsprechend fuhren sie noch ein Stück weiter. Wir übernachteten in einem Zimmer bei der Tankstelle. Diese Truck-Stopps sind prima, denn sie haben die Zimmer immer parterre. So müssen wir unsere Räder und das Gepäck nicht Treppen hochschleppen. Das ist (nach dem Preis) Kriterium Nr. 2.
Am nächsten Morgen trafen wir die beiden nach 20km. Abuela fuhr ein Stück mit, hängte uns dann aber ab. Wir mussten schon ziemlich laut lachen, dass wir von einer Grossmutter abgehängt wurden. Sie gehört zu denen, die ohne einmal abzusetzen ihre Etappen durchradeln. Sie ist auch (im Gegensatz zu uns) ansonsten begeisterte Radfahrerin. Wir benutzen das Rad, weil es ein prima Reisemittel ist und wir so die kleinen Dörfer besuchen, welche die Bustouris nur passieren. Wir halten auch gerne mal an um zu trinken, Fotos zu schiessen oder eine Banane zu futtern. So durchradeln ist nicht gerade unser Ding. Zum guten Glück ergänzen wir uns dabei sehr gut. Aber zu unserer Verteidigung: Wir holten sie in Gigante wieder ein…! :-)
Wir hatten eigentlich noch nicht genug vom radeln und hätten gut noch bis Garzon fahren können, aber Gigante ist eine so sympathische Stadt dass wir nicht weiter wollten. So freundliche Leute haben wir in unserem ganzen Leben noch nie gesehen. Wir fragten eine junge Frau nach einem günstigen Hotel, da sprang sie auf ihren Roller und führte uns vor ein herziges Hostel. Sie fragte nach dem Preis und erklärte uns wo wir sehr günstig essen können und wo es Brot zu kaufen gibt. Eine halbe Stunde später fuhr sie wieder vor das Hotel um uns auszurichten, dass Abuela in Garzon übernachtet. Unglaublich wie lieb diese Leute hier sind! Wir wurden neulich auch von einer Familie, welche eine Villa besitzt zum übernachten eingeladen, aber leider wäre dies ein Umweg von 10km gewesen und wir waren damals sowas von k.o., dass wir dann doch ein Hostel nahmen. Aber mal ehrlich: Würden wir in der Schweiz einen fremden, ausländischen Touri einfach so ins Haus einladen? Hier ist das schon fast normal…
Nach Altamira gings dann erst einen Canyon runter, dann wieder einen hoch und wieder einen runter. Danach ging’s schön schleichend und gerade bergauf. Total kaputt kamen wir in Altamira an und mussten ab unserem Hotelier lachen, der mal wieder in Unterhosen kam. Er gab sich unendlich Mühe, dass wir uns wohl fühlen bei ihm im Hostel. Er fragte alle 30min., ob wir etwas brauchen. Die Strecke nach Pitalito war dann wieder super schön und wir brausten einen tollen Canyon hoch und runter.
Ein Rennradfahrer begleitete uns wieder ein Stück und gab uns Energie-Bonbons. Pitalito war erstaunlich gross und wir konnten seit langem mal wieder chinesisch essen gehen. Das war natürlich das Höchste aller Gefühle. Ganz viel Gemüse bekamen wir aufgetischt und wir überfrassen uns masslos. Unsere Dusche allerdings war für den grossen Oli nicht gerade hoch. Er musste kniend duschen.
Unsere letzte Etappe per Fahrrad führte und nach San Agustin. Die Strecke war auch super schön und die letzten 5km ging es sehr steil bergauf mit toller Sicht auf den Rio Magdalena und vielen Wasserfällen.
Die Gegend ist normalerweise notorisch verregnet, aber als wir den Berg hoch pumpten, brannte die Sonne gnadenlos auf uns hinunter. Milena überfuhr mal wieder beinahe eine Schlange. Eine andere Schlange fanden wir weiter oben und als wir abstiegen tat sie so, wie wenn sie sterben würde. War ja lustig. Kaum waren wir in San Agustin, kamen die Wolken. Schlagartig wurde es kalt und wir wurden verregnet. Wie immer…!
80km nach San Agustin ist auch die Quelle des Rio Magdalena, dem wir seit nun 1500km gefolgt sind. Dannach müssen wir leider per Bus weiter. Zu gerne wären wir die zwar sehr anstrengende, aber auch wunderschöne Strecke über Mocoa nach Sibundoy gefahren, aber unser Visum läuft ab und wir bräuchten für diese Strecke rund 10 Tage. Auch können wir uns fast nicht mehr von dem hübschen San Agustin lösen. Würde es hier nicht so oft regnen, würden wir vermutlich noch Wochen hier bleiben.
Wir nächtigen hier auf einer schönen Finca eines schweizer Auswanderers. Hier hausen auch unzählige Hunde deren Aufgabe es ist, uns zu bewachen. Allen voran eine 10 Wochen alte Labrador-Hündin ohne Namen. Die Kleine weicht seit unserer Ankunft nicht mehr von unserer Seite. Sie schläft auf unseren Füssen wenn wir essen, begleitet uns zur Toilette uns schläft sogar vor unserem Tipi-Zelt. Und wehe ein anderer Hund kommt in unsere Nähe, da knurrt und bellt sie sogar ihren eigenen Papa an. Sie geht nicht mehr in ihr Haus, wo sie eigentlich auch Futter bekäme. Lieber ist sie bei uns. Wir hatten etwas Mitleid mit ihr, weil sie sich so unsterblich in uns verliebt hat und sie nicht einmal mehr frisst. Auch ihr Besitzer wundert sich über ihr Verhalten. Wir haben nun angefangen sie abzulenken und dann etwas Futter in der Küche zu verstecken. So weiss sie nicht, dass das Futter von uns ist und frisst wenigstens ab und zu etwas. Aber wäre sie älter und wären wir nicht per Fahrrad hier, würden wir wohl keine Sekunde zögern. Der Abschied von der Kleinen wird uns gar nicht leicht fallen.
Wir lernten noch eine Schweizerin, eine Deutsche und ein österreichisches Paar kennen. Mit denen war es super lustig. Wir alle machten dann eine Pferdetour im archäologischen Park. Die Tour war toll und Oli schlug sich das erste mal zu Pferd ziemlich gut. Leider wollten aber die Pferdchen ständig rennen und nach 4h tut einem da so einiges weh… Milena war mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort und das vordere Pferd schlug aus. Eigentlich hätte der Schlag Milena’s Pferd gegolten, doch das wich blitzschnell aus und ihr Schienbein musste dran glauben. Naja, sie ist sich’s ja gewohnt…
Am nächsten Tag hatten wir aber seit langem wieder mal Muskelkater in den Beinen. Wir besuchten noch den Parque Archeologico ca. 5Km entfernt von San Agustin. Dort stehen viele Steinskulpturen die in den 40er und 80er Jahren entdeckt und ausgegraben wurden. Die Bedeutung der von Hand gemeisselten Steinfiguren ist nicht genau bekannt. Der Park ist schön gestaltet aber nicht unbedingt so interessant wie immer in den Reiseführern beschrieben wird. Am Eingang des Parks gab es den berühmten Superkaffe aus dem kolumbianischen Hochland. Mmhh…lecker!
Dann kam noch Uwe. Der Deutsche lebt und arbeitet in St. Gallen und ist mit einem Motorrad unterwegs, welches er spontan in Venezuela gekauft hatte. Er fuhr dieselbe Strecke wie wir, nur etwas schneller… Brauchte er doch für die Strecke San Gil-Bogota gerade einmal einen Tag, wo wir 7 Tage unterwegs waren…
Trauriger Nachtrag:
Puyo (Ecuador), 23.5.2011
Leider haben wir gestern erfahren, dass die junge Deutsche Frau der so tollen Gruppe unseres Reitausfluges am 10.5.2011 tödlich verunglückt ist. Bettina (auf dem Foto ganz rechts) kam auf eine sehr tragische Weise bei einem Busunglück auf der Strecke Cuenca-Loja im süden Ecuadors ums Leben. Uns tut das Ganze unendlich leid. Es trifft immer die Falschen... Den Angehörigen und auch ihrer Reisekameradin Yvonne wünschen wir viel Kraft!
Uns wird dieser Tag mit Euch allen in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Es war einer der schönsten Ausflüge unserer Reise...